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Kratzige Stimme

REUTLINGEN. Jan Plewka taucht gern in fremde Musik ein. Der Sänger von Selig hat das vor Jahren schon mal mit Rio Reiser getan. Sein neues Programm heißt »Jan Plewka spielt Simon & Garfunkel«; am Samstag war er damit zu Gast im franz.K. Für Rio Reiser hatte Plewka genau den richtigen Tonfall, das ungestüm Laute, das rotzige Nölen, das berührende Bröckeln. Mit dem gläsernen Sound von Paul Simon und Art Garfunkel hingegen hat Plewkas Stimme ungefähr so viel zu tun wie Rumpelstilzchen mit der kleinen Meerjungfrau. Und da wäre auch noch die spannende Frage, wie einer allein eigentlich Duett singen will.

Letzteres ist schnell geklärt. Lieven Brunckhorst, Marco Schmedtje, Dirk Ritz und Martin Engelbach sind die Stars dieses Abends. Sie ersetzen die hohe Stimmlage Art Garfunkels mühelos, während sie permanent neue Instrumente zücken, Bratsche, Mundharmonika, Saxofon und Glockenspiel. Mal erschaffen sie einen perfekt gecoverten, mal einen entspannt ins 21. Jahrhundert übersetzten Sound.

Derjenige, der dafür sorgt, dass man niemals die innere Zeitreise in die guten alten 1960er-Jahre antritt, ist Plewka. Er klingt einfach unendlich viel männlicher als das Original. Und keine Sekunde so, wie man es nach all den Jahrzehnten von dieser Musik erwartet. Das ist einerseits eine kalte Dusche fürs nostalgische Herz – und andererseits der Türöffner für Neues und Überraschungen.

Refrain verschwiegen

Einige Songs haben neue Gewänder bekommen, »Cecilia« kommt als Moll-Grunge-Happening daher, »Mrs. Robinson« im Zugabenpaket rockt fabelhaft, bei »Sounds of Silence« gipfelt der Text über Stille darin, dass der Refrain verschwiegen wird.

Regisseur Tom Stromberg, der schon das Rio-Reiser-Projekt gestaltet hat, lieferte auch diesmal schöne Ideen. Einen Spiegelkugelhelm. Einen Dialog zwischen Plewka und Mrs. Robinson alias Anne Bancroft von der Leinwand. Eine Runde Karaoke mit »Bridge Over Troubled Water«. Interview-Schnipsel von Art Garfunkel. Halb übersetzte Songs, bei »50 Ways To Leave Your Lover« durchaus zum Schmunzeln: Schick sie zum Mars, Lars. Zeig ihr Dias, Matthias.

Am meisten Poesie steckt im Anfang: Da lässt Stromberg seine Musiker erst schweigend im Dunkeln sitzen und dann reihum den übersetzten Text von »Sounds of Silence« rezitieren, im Lichtkegel kleiner Funzeln, mit Lichtschaltern und Feuerzeugen knipsend.

Die Ruhe zum Konzertbeginn war am Samstag für manche verblüffend und wurde weggelacht.

Mit Musik war dann alles gut und blieb es auch. Ein gut gelaunter Plewka, mitreißende Improvisationen und nicht zuletzt diese Songs, alte Freunde, wohlauf, Preziosen, staubfrei. Das rundum begeisterte Publikum feierte mehrere Zugaben. (GEA)