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Jazzer mit Rock im Blut: The Jakob Manz Project im Echaz-Hafen

Mit einem umjubelten Auftritt des Dettinger Jungstars Jakob Manz mit seiner Band endete am Sonntag das Hafensounds-Festival des franz.K. Rund 550 Besucher im Echaz-Hafen waren mit der Frage konfrontiert: Ist das nun Jazz oder nicht eher Rock?

Leidenschaft im Ton: Jakob Manz bei seinem Auftritt im Echaz-Hafen zum Abschluss des Hafensounds-Festivals.
Leidenschaft im Ton: Jakob Manz bei seinem Auftritt im Echaz-Hafen zum Abschluss des Hafensounds-Festivals. Foto: Armin Knauer
Leidenschaft im Ton: Jakob Manz bei seinem Auftritt im Echaz-Hafen zum Abschluss des Hafensounds-Festivals.
Foto: Armin Knauer

REUTLINGEN. Vier Jungspunde beschlossen am Sonntagabend das Hafensounds-Festival des franz.K. Und zogen dabei eine Performance ab, die manch alten Hasen blass aussehen ließ. Der Dettinger Jakob Manz war mit seinem Quartett gekommen. Am Ende eines von Rock und Pop geprägten Festivals ein frischgebackener Landesjazzpreisträger. Und doch einer, der nicht daran denkt, sich an Schubladen zu halten.

Schon die ersten Synthie-Akkorde von Tastenmann Hannes Stollsteimer könnten auch aus einer 80er-Disconummer stammen. Die Drumbeats von Leo Asal und die E-Bass-Akzente von Frieder Klein weisen in die rockige Richtung. Worauf Manz am Altsaxofon mit kantigen Motiven die Führungsrolle erobert. Um bald in ein Solo abzubiegen. Ja, wir sind im Jazz. Aber die Welt von Rock und Pop ist nie weg.

Stets mit Lederjacke

So will der junge Saxofonist das auch verstanden wissen. Als Musik, die sich von der Freiheit des Jazz tragen lässt, aber die emotionale Wucht des Rock entfaltet. Kein Zufall, dass Manz stets mit Lederjacke auftritt. Kein Zufall, dass er rät, falls es regne, könnten ja alle aufstehen wie bei einem Rockkonzert. Als der Regen ausbleibt, nimmt der Jungmusiker die Sache selbst in die Hand: »Wir tun jetzt einfach so, als würde es jetzt regnen!« Schon stehen alle.

Dazu passt, dass der Musik des Jakob Manz Project jeder akademische Gestus abgeht. Hier wird sich nicht brav vor Meistern verneigt; hier wird nicht kühl technische Brillanz zelebriert (die gleichwohl da ist!). Nein, hier gibt es eine Eigenkomposition nach der anderen um die Ohren, von Stollsteimer, von Klein, sehr oft von Manz. Und in diesen Stücken kann alles passieren.

In mystischen Gefilden

So ist man plötzlich in mystischen Gefilden. Feenhafte Lichtreflexe zucken vom Klavier, sanft pocht ein Basspuls, das Saxofon gleitet in arabisierende Melismen. So straight es gerade noch gerockt hat, so luftig schwebt es nun durch Traumsphären. Man mag hier einen Nachhall Jan Garbareks erkennen, der im letzten Jahr an selber Stelle spielte. Den Manz & Co. ausdrücklich als Inspiration angeben. Man mag auch Manz' Begierde erkennen, sich für andere Kulturen zu öffnen. Wozu ein Gastspiel während der Coronazeit auf Haiti beigetragen hat.

Ein von damals inspiriertes Stück von Manz wirft mit funkigen Bass-Akzenten um sich; jubilierend greift das Saxofon aus, doch dann kippt die Sache in eine zuckende Rhythmus-Landschaft mit funkigen Saxofon- und Schlagzeug-Motiven, ehe Stollsteimer am Synthesizer zu einem discoartig auftrumpfenden Solo aufbricht.

Mal rockig, mal kammermusikalisch

So zelebrieren sie das oft. Lassen Stücke aus solistischen Anfangsmotiven aufsteigen. Alles saugt sich mit Energie voll bis zum orchestral rockenden Tutti. Wo dann alles zusammensackt und einer feinen, kammermusikalischen Idee Raum gibt, am Bass, am Schlagzeug, am Klavier, am Synthesizer.

Der zweite Teil setzt auf etwas mainstreamiger ausgreifenden Fusion-Jazz, natürlich auch aus eigener Feder. Aber auch da fängt ein Stück plötzlich mit skurrilen Schmatzlauten am Saxofon an. Woraus sich ein Solo entwickelt, bei dem Jakob Manz seine Diskant-Schlenker mit dazwischen getröteten Basstönen am Saxofon selbst begleitet, ehe sich nach und nach die Band einschleicht. Originell!

Furioser Blockflötenritt

Dann stellt Manz sich mit der Tenorblockflöte ans Mikro. Gleitet erst noch melodisch durch den Flötenklang-Kosmos, ehe sich das Ganze mit der Band immer mehr erhitzt und die Blockflöte in immer rasantere Tonwirbel, immer schrillere Überblas-Ebenen ausbricht. Flötenrocker Ian Anderson wirkt plötzlich wie ein Waisenknabe.

Dazwischen Ansagen, Erläuterungen, Anekdoten vom Bandleader. Der sich zuweilen unbekümmert um Kopf und Kragen redet. Was erfrischend authentisch rüberkommt und ihm die Sympathien des Publikums sichert. »Bei uns Jazzern geht es immer um Parameter«, doziert er einmal. »Für Hannes Stollsteimer sind die Jahreszeiten ein zentraler Parameter - er liebt deshalb auch Vivaldi über alles.« Was beim Pianisten einen Lachanfall auslöst - aber er dementiert auch nicht.

Saxofonduett mit dem Publikum

Am Ende steht das Publikum tatsächlich. Und wie bei einem Rockkonzert lässt Manz es mitsingen, macht es zu seinem Chor, verwickelt es in einen musikalischen Dialog. Was die Menge bald überfordert, aber Laune macht das allemal. Jazz? Rock? Wo war noch der Unterschied? Im Echaz-Hafen hat dieses Quartett junger Wilder einfach mal alle Schubladen weggefegt. (GEA)