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Im Gummiboot alt werden

STUTTGART. Herrje, jetzt sind die Lackel auch schon so alt? Seit 30 Jahren gibt's Die Kleine Tierschau, und so manchem Schwaben werden angesichts dieser Zahl jäh die eigenen Zerfallsprozesse bewusst. Wer sich zum Trost ein Ticket für die Geburtstagsveranstaltung »30 Jahre Die Kleine Tierschau« kaufte, die am Samstagabend über die Bühne der Stuttgarter Schleyerhalle tobte, hatte einen guten Griff getan. Wenn Altwerden so aussieht - na gut.

Bühnenblödler der ersten Stunde: Michael Schulig (links) und Michael Gaedt, die Meister der schnellen Kostümwechsel. FOTO: TOM P
Bühnenblödler der ersten Stunde: Michael Schulig (links) und Michael Gaedt, die Meister der schnellen Kostümwechsel. FOTO: TOM PHILIPPI
Bühnenblödler der ersten Stunde: Michael Schulig (links) und Michael Gaedt, die Meister der schnellen Kostümwechsel. FOTO: TOM PHILIPPI
»Der Geschenke-Tisch ist ganz hinten«, begrüßten Michael Gaedt und Michael Schulig ihr Publikum. Den ganzen Abend über hatten die beiden einen Riesenspaß mit ihrer Entscheidung, den Geburtstag im ganz großen Rahmen der Schleyerhalle zu feiern. Knapp 8 500 Fans waren angereist, Ü30 bis U70 aus nah und fern, um sich vorsätzlich zu amüsieren. »Ich merke kein einziges meiner Lebensjahre mehr«, feixte Gaedt in die Runde. »Das sieht vielleicht nicht so aus, aber es fühlt sich so an.« Klar, dass Rampensau Gaedt die Gelegenheit zum Stage-Diving der Extraklasse nutzte: Er warf ein Schlauchboot ins Publikum, sich selbst hinein und ließ sich minutenlang über den Häuptern seiner Fans durch die ganze Halle schaukeln.

Dreieinhalb Stunden Blödel-Rockshow hatten die beiden Michaels für diesen besonderen Abend zusammengepuzzelt. In ihrer Requisitensammlung herrscht ja kein Mangel an Zuckerstückchen und wirklich aufwändigen Hirnfürzen. Allein schon, um die Kollektion an knatternd motorisierten Vehikeln angemessen zu würdigen, vom Mini-Motorrädle in Bobbycar-Größe bis zur Turbanwickelmaschine, wäre diese Zeitungsseite zu klein. Dasselbe bei den Kostümen: Für jede Nummer kleiden sich die beiden neu ein, als Michelin-Männchen, Schlumpf, Lurchi, Biker, Plüschtiger, Marienkäfer, werden zum Wohnwagen, singen in Frauenkleidern, Safari- oder Omas-Vorhang-Print. Die Logistik in der Garderobe hinter der Bühne würde man gern mal sehen.

Sechs lebhafte Tänzerinnen

Die Freude der beiden Jubilare an dieser Materialschlacht war echt und ansteckend. Nach tausenden Konzerten fast müßig zu erwähnen, dass alles bis aufs I-Tüpfele rund lief. Prima Band, sechs lebhafte Tänzerinnen, dazu der berühmte Instrumentenreigen vom Saxofon über Alphörner bis zum Kopfüber-Schlagzeug und Kontrabass in Rückenlage. Auch eine Elektrozahnbürste und ein Ford-Granada-Motor entfalten in diesen Händen Glamour. Wie immer erwischte es eine Handvoll Zuschauer, die als lebende Trommeln, Turbanwickelmaschinen-Tester und Boxring-Pfosten auf der Bühne die Fassung wahren mussten, zur allgemeinen Freude.

Lang ist es noch nicht her, dass aus dem Tierschau-Trio ein Duo wurde. 2009 stieg der dritte Mann im Streit aus, Ernst Mantel, der Spezialist für subtilen Wortwitz. Das Geburtstagsfeuerwerk funkelte trotzdem. Das Einzige, was dabei störte, waren die Promi-Gäste. Gut gemeint, aber schlecht einstudiert wirkte der Auftritt von Fanta-Vier-Smudo als Motorrad-Rocker. Auch Boxsenior René Weller im Nylon-Höschen musste sich ranhalten, um nicht vorgeführt zu wirken. Dieter Thomas Kuhn, flankiert von Gitarrist Philipp Feldtkeller, sang brav und solide sein Liedchen, aber es wäre auch ohne gegangen. Mato Valtonen von den Leningrad-Cowboys störte nicht weiter. Ben Becker hatte wohl Lunte gerochen und sich den angekündigten Besuch gespart. Er grüßte per Video - schade um die Minuten, in denen Gaedt und Schulig deswegen schwiegen. Denn die Sternstunden waren andere. Als Gaedt ankündigte: »Ben Becker«, kam erst Schulig im Bäckerkostüm hereingeschlurft und bekannte: »I ben Bäcker!«

Ihren Traum von der »richtig großen Hallentour« haben sich die beiden Michaels mit ihrem Bühnengeburtstag jedenfalls erfüllt: Als der Saal eh schon kochte, schnappten sie sich Fahrräder und radelten ungelenk einen Rundkurs durch die Halle. Drei Stopps unterwegs, drei kurze Ständchen und drei Liebeswogen, die aus den hinteren Reihen zu den Jubilaren schwappten. Zugaben über Zugaben wurden fällig. »Lieber doof sein als Gabi heißen«, na klar.

Um halb zwölf dann Standing Ovations. Glückwunsch! (GEA)