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Himmel und Erde: Ensemble Horizons beim Tübinger Komponistinnen-Festival

Die Uraufführung von Josephine Langs »Cyrie« für gemischten Chor a cappella, rekonstruiert von Harald Krebs und Ingo Bredenbach, stand in der Tübinger Motette in der Stiftskirche auf dem Programm. Das Ensemble Horizons zeigte sich auch in weiteren Beiträgen zum Komponistinnen-Festival in Hochform.

Die Tübinger Motette in der Stiftskirche im Zeichen des Komponistinnen-Festivals: Das Ensemble Horizons unter der Leitung von Ma
Die Tübinger Motette in der Stiftskirche im Zeichen des Komponistinnen-Festivals: Das Ensemble Horizons unter der Leitung von Matthias Klosinski sang Musik aus mehreren Jahrhunderten. Foto: Christoph B. Ströhle
Die Tübinger Motette in der Stiftskirche im Zeichen des Komponistinnen-Festivals: Das Ensemble Horizons unter der Leitung von Matthias Klosinski sang Musik aus mehreren Jahrhunderten.
Foto: Christoph B. Ströhle

TÜBINGEN. So noch nie Vernommenes und viel zu selten Gehörtes prägten am Samstagabend die Tübinger Motette in der gut besuchten Stiftskirche: Dem Motto des Tübinger Musikfests folgend präsentierte das Ensemble Horizons unter der Leitung von Matthias Klosinski Chormusik von Komponistinnen aus verschiedenen Jahrhunderten. Musik der in Tübingen wirkenden Josephine Lang (1815-1880) und so mancher ihrer Zeitgenossinnen war dabei, aber auch Polyfonie neueren Datums und ein Gesang aus dem 12. Jahrhundert, Hildegard von Bingens Antifon an die Jungfrau Maria »Quia ergo femina«, die der Frauenchor als scheinbar schwerelos schwebendes Klanggespinst anlegte, jeden Ton wertschätzend, klar und leicht in der Linienführung, sich behutsam aufschwingend und zart verklingend.

Damit war ein Ton gesetzt. Dieses wertschätzende Singen sollten im Folgenden auch der Männerchor und der gemischte Chor bei ihren A-cappella-Darbietungen an den Tag legen. Besonders bemerkenswert: die Uraufführung von Josephine Langs »Cyrie«, rekonstruiert von Harald Krebs, Musikwissenschaftler an der Universität von Victoria, Kanada, und dem Tübinger Stiftkirchen- und Bezirkskantor Ingo Bredenbach. Romantik vom Feinsten! Was als sanftes, warmes Fließen begann, steigerte sich zu hohem Klangbewusstsein und berührendem Ausdruck. Ornamentatives brachte Bewegung in den Fluss. Bevor ein eindrucksvoll sachte gesungener Schlussakkord erklang, gab es Bewegung im Bass, legte sich zarter Schmelz in den Frauenstimmen darüber.

Schwungvoll und poesiegetränkt

Von Josephine Lang folgten an diesem Abend ein »Lied an den Mai«, ganz freudiges Wiegen, schwungvoll und poesiegetränkt, ein vom Männerchor in feiner Andacht gestaltetes »Ave Maria«, ein Tauflied, bei dem der gemischte Chor klangliche Wärme und eine gute Textarbeit bewies, und ein vom Frauenchor gestaltetes Ständchen (»In dem Himmel ruht die Erde«), das ein Bild ungetrübten Friedens malte und als Abendlied jedes (Kinder-)Schlafzimmer zieren würde - wenn auch nicht immer in dieser reichen Chorbesetzung.

Auch von Fanny Hensel sang der Chor Abendliches: »Schweigend sinkt die Nacht«, doppelchörig, ein apartes Stück. Durchaus fordernd für den Chor, mit exponierten Einzelstimmen und klanglichen Höhen, aber auch wohlig für die Zuhörerinnen und Zuhörer. Wie ferner die Stücke von Emilie Zumsteeg (»Abendfeier«) und Clara Schumann (»Abendfeier in Venedig«), die der gemischte Chor wunderbar differenziert auszudeuten verstand. Luise Adolpha Le Beaus »Vater Unser« war pure Andacht und vor allem wunderschön.

Ein von Emilie Mayer komponiertes Adagio con molto espressione aus dem Streichquartett g-Moll Opus 14 hatte Ingo Bredenbach für Orgel arrangiert und spielte es auf dem Kircheninstrument. So ganz vermochte es nicht zu überzeugen. Das Stück war dafür zu überladen. Zu groß das Auf und Ab, der von Mayer nur leidlich geordnete Ideenreichtum, wodurch die Musik an Wirkung verlor.

Mit expressivem Gestus

Ethel Smyths »Komm, süßer Tod« wohnte ein berückender Ernst inne. Marianne Wahl-Stolls Vertonung des 143. Psalms formte der Chor eindrucksvoll mit expressivem Gestus. Kreisende Ton- und Textpassagen waren hier ein wiederkehrendes Stilmittel. Cecilia McDowalls »Ave regina« lebte wie Galina Grigorjevas »In Paradisum« von flächigen Klängen. Eingewoben waren erfahrener Schmerz und Zweifel, aber auch eine Friedensbotschaft.

Iris Szeghys »The prayer« - die Komponistin ist 1956 geboren - war Musik, die in Wellen ihre Wirkung entfaltete. Nicht zuletzt durch die variantenreiche Verwendung der Sprechstimme - »auf ungefährer Tonhöhe, mit Glissandi, mit vorgeschriebenem Rhythmus oder frei durcheinander gesprochen«, wie im Programmheft zu lesen war. Auch hier zeigte sich der Chor unter Matthias Klosinskis Leitung in Hochform. (GEA)