TÜBINGEN. Mit über 40 Holzschnitten des in Tübingen geborenen Heiner Bauschert (1928–1986) ist die »schmucklose« (Corona-)Zeit im Tübinger Landratsamt, üblicherweise Ausstellungsfläche für vorwiegend regionale Künstler, passé. Bauscherts Sohn Thomas wählte aus dem Gesamtwerk von rund 500 Arbeiten Exponate mit Bezug zur schwäbischen Landschaft aus.
Heiner Bauschert, so wird über ihn gesagt, machte seine Liebe für Kunst zum Beruf. Nach dem Zweiten Weltkrieg studierte er an der Staatlichen Kunstakademie Karlsruhe. Seine Lehrer waren der Zeichner Karl Hubbuch und der Maler Wilhelm Schnarrenberger sowie der Expressionist Erich Heckel. Die ersten Holzschnitte entstanden zu Beginn der 50er-Jahre quasi im Nebenerwerb als wissenschaftlicher Zeichner am Zoologischen Institut der Universität Tübingen.
Diesem akribischen Umgang mit Illustrationen stellte er seine flächig angelegten Holzschnitte gegenüber. Der Sohn als Kurator nennt ihn »Meister des malerischen Holzschnitts«. Er werde in einem Atemzug mit HAP Grieshaber und Hans Arp genannt und zähle zu den Künstlern der Klassischen Moderne.
Windgepeitschte Wipfel
Fläche als Alternative zur Linie. Teils wenig bearbeitet, um die fasrige Holzfläche des Druckstocks als gestalterisches Element hervorzuheben. Ein gutes Beispiel dafür liefert der als Nummer eins in der Ausstellung ausgewiesene Holzschnitt »Blaue Landschaft« (1983). Messer und Grabstichel, die üblichen Werkzeuge des Holzschneiders – bei Grieshaber kam der Trennschleifer hinzu – hinterließen kaum Spuren. Bildprägend in Verbindung mit der blauen Farbgebung ist die wolkige Maserung, die sich durch den Übereinanderdruck zweier Platten potenziert. Ganz ähnlich, jedoch in der Formfindung und der rotbraunen Farbstellung wesentlich dynamischer, ging Bauschert seine »Herbstbaumgruppe« (1984) an. Windgepeitscht lösen sich die einzelnen Wipfel zu einer flächigen Einheit auf. Realität trifft Abstraktion. Die dritte Dimension liegt dem Betrachter inne.
Bauschert hat trefflich illustriert. Mit Schnitten, die weitläufige Ansichten zum kompakten Bild herunterkomponieren. Ob »Stadt am Morgen« (1974), »Blaue Brücke in Tübingen« (1975), »Berg mit Sonne« (1963), »Alb bei Talheim« (1978) oder »Kapellenberg« (1975) – die Region ist vielsagend dokumentiert. Den damaligen Kunstkritikern war er ein willkommener Künstler. So schrieb Karl Diemer in den Stuttgarter Nachrichten: »Im Gegensatz zu Grieshaber bleibt Bauschert eng beim Gegenstand, er hat Phantasie, Beobachtungsgabe, seine Graphik weiß kernig zu erzählen.«
Günther Wirth befasste sich im von Rudolf Bayer 1978 herausgegebenen Werkverzeichnis in seiner Einführung mit Leben und Werk von Heiner Bauschert. Sein Fazit: »Anfangs galt es für den jungen Bauschert, die Welt der Kunst nachzuholen. Nun, dreißig Jahre später, als Fünfzigjähriger, als ein erfahrener und auch erfolgreicher Holzschneider, ist er in ihr zu Hause.« (GEA)
AUSSTELLUNGSINFO
Die Ausstellung »Heimat im Holzschnitt. Heiner Bauschert« im Tübinger Landratsamt, Wilhelm-Keil-Straße 50, ist bis zum 27. Mai zu den üblichen Öffnungszeiten zu sehen: Montag bis Freitag 8 bis 12 Uhr, Donnerstag 14 bis 16 Uhr. (GEA) www.kreis-tuebingen.de