TÜBINGEN. Auch das LTT zieht’s ins Freie, auf die Hofbühne vor dem Theater. Mit einer französischen Komödie mit reichliche Zündstoff: »Kunst« von Yasmina Reza feiert am kommenden Samstag, 24. Juni, um 20 Uhr Premiere, bei Regen und Sturm zieht man in den Saal.
Serge, Marc und Yvan verbindet eine langjährige Männerfreundschaft. Man kennt sich so gut, dass einen nichts mehr schockieren kann. Doch dann kauft sich Serge für eine Unsumme einen echten Antrios: Weiße Streifen auf weißem Hintergrund. Marc zweifelt am Verstand seines Freundes. Yvan soll nun als Dritter im Bunde klare Position beziehen. Doch er will es sich mit keinem der Freunde verscherzen. Mit brillantem Wortwitz erzählt Yasmina Reza von Kunst im Speziellen und dem Leben im Allgemeinen.
Große Menschenkenntnis
LTT-Chef Thorsten Weckherlin bringt diesen Stoff, der wie gemacht ist für einen sommerlichen Theaterabend, auf die Hof-Bühne des LTT. In den Hauptrollen: Miguel Abrantes Ostrowski, Andreas Guglielmetti und Rolf Kindermann. Rezas Figuren seien Großstadtneurotiker, so Weckherlin. »Es geht um Homöopathie, um Pillen und um Psychoanalyse.« Begeistert habe ihn die große Menschenkenntnis und das Gespür für die Struktur zwischenmenschlicher Beziehungen, mit dem die damals 35-jährige Autorin schrieb. Liebe und Hass, Härte und Weichheit lägen bei ihr nah beieinander. »Gefrotzel, sich provozieren – ich glaube, das kann auch die Basis einer guten Freundschaft sein. Sich gegenseitig herauszufordern, um sich zu spüren«, betont Andreas Guglielmetti. Während sich Weckherlin als »sentimentaler Heini« outet: »Da steckt sehr viel Liebe in dieser Freundschaft. Und dann führt eine Bagatelle zu diesem bürgerkriegsähnlichen Hahnenkampf.«
Debatte um zeitgenössische Kunst
Für Rolf Kindermann geht es in dem Stück vor allem um Veränderungen, die auf einmal ins Bewusstsein rücken. »Plötzlich tritt eine neue Wahrheit zutage, und man merkt: Okay, das haben wir bisher noch gar nicht realisiert. Das heißt ja nicht, dass man gescheitert ist. Aber es hat sich etwas verändert.« Das Medium für diese Erkenntnis sei eine Debatte um zeitgenössische Kunst, so Weckherlin. Reza zeige das streng Konservative im bildungsbürgerlichen Milieu. Auf gewisse Weise sei das Stück auch reaktionär: »Marc lehnt moderne Kunst ab, und wir als Publikum sagen, der hat recht. Das kann doch keine Kunst sein.«
Einen echten Antrios kaufen würde Weckherlin aber dennoch nicht, obwohl er Freund zeitgenössischer Kunst sei. Miguel Abstrantes Ostrowski zeigt sich da durchaus radikaler: »Die Provokation auf die Spitze getrieben wäre es doch, wenn das eins zu eins eine gekaufte und unbearbeitete Leinwand wäre. Das würde mir gefallen: Bei Amazon bestellen und unausgepackt an die Wand hängen – für 200.000 Euro.«
Weitere Vorstellungen: 29. und 30. Juni sowie 2., 6., 8., 9., 13., 15., 16., 20., 21., 22. und 23. Juli. (eg)