TÜBINGEN. Wenn der in Köln lebende Multiinstrumentalist Matthias Schriefl Alphorn, Trompete, Flügelhorn, Akkordeon und Tuba auspackt, hat das nur ansatzweise mit ernster Musik oder Jazz zu tun. Alles spielt sich da in einem Zwischenreich ab: zwischen den Klängen, zwischen Lippen- und Atmungstechnik, zwischen eingängigen und schrägen Melodielinien, zwischen Jazz, Scatgesang und Volksmusik. Tamara Lukasheva und Matthias Schriefl boten den begeisterten Besuchern am Freitag beim Landesjazzfestival im vollen Tübinger Kulturwerk eine kurzweilige und amüsante Klangperformance, die zum Teil durch schallendes Gelächter und spannendes Grenzgängertum geprägt war.
Es scheint, als wollte das Duo seinem Publikum zeigen, wie man auch zu zweit eine außergewöhnliche Vielstimmigkeit hinbekommt. Gewiss braucht es dazu die virtuose Beherrschung mehrerer Instrumente, aber damit ist es nicht getan. Viel wichtiger sind Improvisationsgabe, Spontanität und ein großer Sack voller Humor. Dies alles besitzt Schriefl im Übermaß. Ganz nebenbei ist er ein Top-Instrumentalist, der gleichzeitig auf zwei Blasinstrumenten spielen kann und dessen Alphornspiel sich so perfekt anhört, als spiele er auf einer Trompete. Der in der alpenländischen Tradition aufgewachsene Jazztrompeter aus Nesselwang bläst in so ziemlich alles, was sich zum Klingen bringen lässt, darunter auch ein rotes Gummi-Schwein, das er rhythmisch ins Mikro grunzen lässt.
Geschmeidige Vokalisen
Neben solchen Kabinettstückchen trägt auch die ehemalige Opernsängerin und Pianistin Tamara Lukasheva zum Gelingen des anderthalbstündigen Programms bei: Bei ihr wird Jazzgesang zum physischen Erlebnis. Mal intoniert sie ganz leise und mit viel Gefühl das ukrainische Liebeslied »Der Mond«, mal brilliert sie mit geschmeidigen Vokalisen, abwechslungsreichen Klangnuancierungen und ihrem warmen Sopran. Dann wieder funktioniert sie gemeinsam mit Schriefl das Publikum zum Jodelchor um und verwandelt einen Jazzklassiker von Miles Davis in ein zünftiges Almlied. Grandios auch, wie die beiden mit Alphorn, Flügelhorn, Tuba und Piano schwebende Töne produzieren, als wollten sie die Klänge in mystische Schwingungen versetzen.
Ein köstlich unterhaltsamer, mit teilweise brüllender Komik angereicherter Abend, der nach anderthalb Stunden, einer hinreißenden »Bukowina«-Zugabe und frenetischem Applaus zu Ende geht. Eines jedenfalls ist sicher: Gäbe es mehr Konzerte mit derartigem Humor, der Jazz erlebte vermutlich einen wahren Boom – auch und gerade unter jüngeren Hörern. (GEA)