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Aktuell Jazzfrühling

Große Vier im kleinen Club: Donnelly & Co. beim Jazzfrühling der Reutlinger Mitte

Der R'n'B- und Blues-Veteran Albie Donnelly hat mit seinem Quartett zum Auftakt des Jazzfrühlings in der Reutlinger Mitte gespielt. Ein Abend voll knackiger Beats und flotter Sprüche.

Im Jazzclub: Albie Donnelly, sein Saxofon und seine Band
Im Jazzclub: Albie Donnelly, sein Saxofon und seine Band Foto: Thomas Morawitzky
Im Jazzclub: Albie Donnelly, sein Saxofon und seine Band
Foto: Thomas Morawitzky

REUTLINGEN. Albie Donnelly kennt eine Frau, die sehr viel Whisky trinkt und ihn viel Whisky trinken lässt. Sie schüttet ihm den Whisky in den Kaffee, sagt er, sie schüttet ihm den Whisky in den Whisky. Diese Frau, behauptet er, sei seine Mutter. Wenn Donnelly erwacht, dann hat er den Blues; geht er zum Frühstück, dann sitzt da schon der Blues, er entkommt ihm nicht. Kaum jemals hat einer solche Geschichten überzeugender erzählt. Der große Mann mit dem lässigen Gemüt, der Sonnenbrille, dem Bart und der Glatze lässt es krachen am Donnerstagabend in der Mitte zum Auftakt des Jazzfrühlings. Seine Band nennt er sein »Big Thing« – nicht umsonst: Andre Tolba an der Gitarre, Wolfgang Diekmann am Bass und Uwe Petersen am Schlagzeug machen den Abend mit ihrem Bandleader zum Erlebnis.

Supercharge in Kleinbesetzung

Donnelly wurde in Liverpool geboren, er trat mit Bob Geldof und seinen Boomtown Rats auf, er fetzte 1978 als Sideman von Graham Parker beim Rockpalast über die Bühne der Essener Grugahalle. Noch in den 1970ern gründete er mit Drummer Dave Irving Supercharge, eine Jazz-Funk-Soul-Bigband die für tobendes Publikum sorgte. 1976 waren Supercharge Vorband bei Queen im Londoner Hyde-Park. Sie tourten mit Chuck Berry und B. B. King, hatten auch in Deutschland enormen Erfolg. Seit Mitte der 1990er lebt Donnelly in Nordrhein-Westfalen. Die aktuelle Version von Supercharge besteht aus versierten deutschen Musikern – sein Quartett, ist nichts anderes als die kleinere Besetzung dieser Band.

Los geht es mit superknackigen Beats, einem Saxofon, das zupackend eine Melodie anstimmt, und Donnellys kräftiger, dunkler Stimme, die den Alltagsblues beklagt. Dann lässt er sein Saxofon aufschreien, seine Begleiter grooven dicht neben ihm her, schon knallt die Gitarre. Andre Tolba ist die Sensation des Abends. Er spielte für viele Rockabilly-Bands, war auf Tournee mit Oldie-Rocker Peter Kraus. Donnelly wird ihm zweimal die Bühne überlassen – dann zieht, biegt und zupft Tolba seine Saiten, sodass sein Publikum die Augen aufreißt. Er lässt wirft mit Flageolett-Tönen um sich, er hämmert, schüttelt die Musik aus seinem Instrument heraus – immer ist das Rock ’n’ Roll, lässig, laut und gekonnt.

Perfekte Rhythmusgruppe

Wolfgang Diekmann ist nicht weniger großartig am E-Bass, schiebt die Musik mit dunkel schwingenden Noten an. Während Tolbas Gitarre im Hintergrund scharf den Funk akzentuiert, trommelt Uwe Petersen mit schnellen Schlägen und macht Donnells Rhythmusgruppe perfekt. Petersens große Stunde ist gekommen, als Donnelly Duke Ellingtons »Caravan« anspielt – nun gehört dem Drummer die Bühne; er macht sein Schlagzeug zum Orchester.

Der Bandleader indes zieht alle Register der Coolness, erzählt verschmitzt von einer deutschen Dame, der die Band irgendwo bei Frankfurt Pannenhilfe leistete, die aber dennoch keinen Cent für seine CDs ausgeben wollte. Flachst, dass Musiker wie er alles Geld für Kokain und Viagra verpulvern würden - und bläst dann wieder in sein Horn, als würde es kein Morgen geben.

Der Jazzclub, das hat Donnelly am Rande entdeckt, ist so alt wie seine Karriere. Im Jahr der Gründung des Clubs 1962 spielte Donnelly seine ersten Gigs in Liverpool. Im Herbst wird er 77. In die Mitte bringt er mit seinem »Big Thing« Klassiker des Soul, des R’n‘B und Blues, ungebremst glänzende Partymusik, enorme Energie und einige Balladen. »I’ve noticed over the years the cellar clubs where I play are getting smaller «, sagt er einmal und späht in die dicht besiedelte Reutlinger Höhle hinaus. »It’s you that’s getting bigger!«, ruft ihm jemand zu. Mit Muddy Waters‘ »Hoochie Coochie Man« verabschieden sich die Männer nach fast drei Stunden. (GEA)