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Grabsteine aus Plüsch: Kunst von Simone Eisele im Kunstmuseum Stuttgart

Das »Frischzelle«-Format im Kunstmuseum Stuttgart bietet jungen Kunstschaffenden aus dem Land eine Plattform. In der ersten Einzelausstellung der Reutlinger Bildhauerin Simone Eisele gehen Horror und Kitsch Hand in Hand.

Einen Friedhof zum Kuscheln inszeniert Simone Eisele in ihrer »Frischzelle« im Kunstmuseum Stuttgart.
Einen Friedhof zum Kuscheln inszeniert Simone Eisele in ihrer »Frischzelle« im Kunstmuseum Stuttgart. Foto: Armin Knauer
Einen Friedhof zum Kuscheln inszeniert Simone Eisele in ihrer »Frischzelle« im Kunstmuseum Stuttgart.
Foto: Armin Knauer

STUTTGART. Eine Art postmoderne Märchenwelt betritt, wer die Ausstellung von Simone Eisele im Stuttgarter Kunstmuseum besucht. In dessen Erdgeschoss scheinen einige metallbeschichtete Luftballons vom Rummelplatz unter der Decke zu schweben, als wollten sie den Abgang markieren zur eine Etage tiefer gelegenen Ausstellungsfläche. Hier zeigt im Rahmen des Formats »Frischzelle«, die jungen Kunstschaffenden aus Baden-Württemberg eine Plattform bietet, die 1994 in Reutlingen geborene Simone Eisele ihre Arbeiten.

»Forever« nennt sich die Ballon-Installation der Reutlingerin. Was da angeblich leichter als die umgebende Luft sein soll, ist in Wirklichkeit massiv und von der Decke abgehängt. Aus Hartschaum und Pappmaché gefertigt, wirken sie wie zufällig vom Wind in einer Ecke zusammengetrieben: Heidi, ein rosafarbenes Kätzchen mit Schleife, ein Herz mit der Aufschrift »I love you«, dazwischen die Buchstaben »E«, »V«, und »R«. Die Zeitlosigkeit dieses Liebesschwurs wird vom Zustand der Ballonobjekte dementiert: Die Metallic-Beschichtungen befinden sich teils in Auflösung – der Lack ist ab.

Monstrosität des Niedlichen

Ähnlich wie Jeff Koons in seinen »Balloon Dogs« entnimmt Eisele, derzeit Stipendiatin der Reutlinger HAP-Grieshaber-Stiftung, ihre Sujets der Popkultur und spielt mit Widersprüchen zwischen schwereloser Leichtigkeit und massiven Lasten, Vergänglichkeit und Beständigkeit. Doch im Gegensatz zum US-Pop-Art-Star stilisiert Eisele die Banalität des Niedlichen nicht zur heroischen Ikone. Ihre »Cute Art« geht stets mit einer humorvollen Reflexion über die Monstrosität der Themenparks und Rummelplätze einher, von denen sie ihre Motive bezieht.

Auch in den weiteren Arbeiten der von Stefanie Ufrecht kuratierten Ausstellung liegen Sein und Schein im Widerspruch: Die Grabsteine von »Shrek forever after« sehen so samtweich aus, als wollten sie gestreichelt werden. Der im Mittelpunkt stehende Geisterbahnwagen wirkt kuschelig gepolstert wie ein Hybrid aus Totenschädel und Kuschelsofa. Dazwischen verteilt sind überdimensionale Schokokugeln mit lachenden Kürbisgesichtern, mit Kakao überzogene Hundekauspielzeuge und künstliche Karotten. Dazu eine wassergefüllte Plastiktüte mit einem mechanischen Goldfisch darin. Horror und Kitsch, Schauer und Romantik gehen hier mit Verweis auf den Animations-Kinohit »Shrek« Hand in Hand.

Abgesang auf Mickey Mouse

Das Medium Film hat auch die Installation »Good Morning, Mickey!« inspiriert. In Walt Disneys »Thru The Mirror« von 1936 führen die Gegenstände um Mickey Mouse herum ein Eigenleben im Traum. Eisele, die an der Kunsthochschule Mainz sowie am Royal College of Art in London studiert hat, zeigt den Moment der Rückverwandlung beim Aufwachen, friert die Bewegung der Möbelstücke an der Schwelle von Traum und Wirklichkeit ein.

Dieselbe an Stecksysteme von Baukastenelementen erinnernde Spielzeugästhetik findet sich auch in »It’s a long way back from Pleasure Island«, einer Kollaboration mit Oliver Collins. Pinocchio, ein Schlitten, eine Maske, ein kleines Holzpferd, Sandkastenförmchen und ein Kunstdruck von Cristofano Alloris »Judith mit dem Haupt des Holofernes« teilen sich ein Floß. Die Korrespondenz mit dem in Schokolade gegossenen »Gartenzwerg« von Dieter Roth setzt der Schau die Krone auf. (GEA)

Ausstellungsinfo

Die Ausstellung »Frischzelle_30: Simone Eisele« ist bis 22. September 2024 im Kunstmuseum Stuttgart am Schlossplatz zu sehen. Geöffnet ist Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr, Freitag bis 20 Uhr. (GEA)
www.kunstmuseum-stuttgart.de