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Glauben und Wein: Schau beleuchtet gemeinsame Geschichte Württembergs und des Elsass

Eine Ausstellung, die zunächst im Hauptstaatsarchiv Stuttgart und danach im ehemaligen Schloss der Herzöge von Württemberg in Riquewihr gezeigt wird, lässt die gemeinsame Geschichte Württembergs und des Elsass anschaulich werden.

Ansicht von Reichenweier auf einem Stich von Matthäus Merian.
Ansicht von Reichenweier auf einem Stich von Matthäus Merian. Foto: Landesarchiv Baden-Württemberg
Ansicht von Reichenweier auf einem Stich von Matthäus Merian.
Foto: Landesarchiv Baden-Württemberg

STUTTGART. Schon bevor es mit der Ausstellung »Württemberg und das Elsass - 700 Jahre gemeinsame Geschichte« im Hauptstaatsarchiv Stuttgart losging, merkten die Kuratoren Prof. Dr. Peter Rückert und Dr. Erwin Frauenknecht anhand von Anmeldungen und Nachfragen, welch »enorme Strahlkraft« das Thema hat - diesseits und jenseits des Rheins. Ihnen sei sofort klar gewesen, dass eine solche Schau nur deutsch-französisch funktionieren könne, sagen sie. Mittlerweile ist die Ausstellung, die bis zum 5. Juli in Stuttgart zu sehen ist, eröffnet. Vom 13. Juli bis zum 13. Oktober wird sie zudem in französischer Version im ehemaligen Schloss der Herzöge von Württemberg im elsässischen Riquewihr gezeigt. An einem jener Orte, in denen im Jahr 1324 die besagte 700-jährige gemeinsame Geschichte begann.

Damals erwarb Graf Ulrich III. von Württemberg die Grafschaft Horburg und die Herrschaft Reichenweier im Elsass. Auf der Suche nach den Originalurkunden, die den Erwerb von 1324 dokumentieren, wurden die Ausstellungsmacher im Nationalarchiv in Paris fündig und zeigen nun zum ersten Mal überhaupt in einer Ausstellung diese Dokumente.

Gesteigertes herrschaftliches Prestige

Für das Haus Württemberg hätten die linksrheinischen Territorien im Elsass und um Mömpelgard enge Kontakte mit Frankreich und Burgund und ein gesteigertes herrschaftliches Prestige geboten, sagen die Kuratoren vom Hauptstaatsarchiv Stuttgart. Durch die Verheiratung von Graf Eberhard IV. mit Henriette von Mömpelgard war 1397 auch die mächtige Grafschaft Mömpelgard an der Burgundischen Pforte in württembergischen Besitz gelangt. Die Hochzeit ist auf einem in der Ausstellung gezeigten Gemälde aus dem frühen 17. Jahrhundert dargestellt.

Zu den Exponaten, mit denen die Schau außerdem glänzen kann, zählen beispielsweise Planzeichnungen des württembergischen Architekten Heinrich Schickhardt (1558–1635) zu Bauten im Elsass, ein Originalbrief des Philosophen und Weinkenners Voltaire (1694-1778) oder eine preziöse Temperantia-Schale, die wohl zwischen 1585 und 1590 im Auftrag von Herzog Friedrich I. in Mömpelgard hergestellt wurde. Dorthin war der Lothringer Zinngießer und Graveur François Briot (nach 1550–1616) vor den Religionskriegen in Frankreich geflohen.

Beschwerdebrief Voltaires

Voltaire, so erfährt man, hatte am preußischen Hof enge Bekanntschaft mit Herzog Carl Eugen von Württemberg (1728–1793) gemacht und diesem einen bedeutenden Geldbetrag geliehen. Dafür gewährte ihm der Herzog eine Hypothek auf seine Erträge aus dem Weinbau im Elsass und in der Grafschaft Mömpelgard. Gezeigt wird anhand eines Briefes, dass sich Voltaire mehrfach bei der württembergischen Verwaltung beschwerte, da die Rückzahlung der Schulden ausblieb. Den Elsässer Wein und nicht zuletzt den Wein aus Reichenweier, so Kurator Peter Rückert, habe Voltaire jedenfalls sehr geschätzt.

Die württembergische Herrschaft ließ den Elsässer Wein auch zum eigenen Konsum in ihre württembergischen Residenzen nach Stuttgart, Urach oder Mömpelgard transportieren. Der Weinbau in Württemberg sei nachhaltig von der Elsässer Weinkultur angeregt worden, so die Ausstellungsmacher. Zudem habe das Prestige des Elsässer Weins auch der Tafelkultur im Haus Württemberg besonderen Glanz verleihen sollen. Bei der Hochzeit von Graf Eberhard V. und Barbara Gonzaga von Mantua etwa, die 1474 vier Tage lang in Urach gefeiert wurde, sprudelte im Schlosshof ein Weinbrunnen mit herkömmlichem Neckarwein. Er war für das breite Volk bestimmt. Auf den Tischen der vornehmen Gäste landeten derweil die teuren Elsässer und Südweine.

Prächtige Häuser im Stil der Spätrenaissance

Heinrich Schickhardt, der einer Herrenberger Handwerkerfamilie entstammte, leitete unter anderem Bauarbeiten an den herzoglichen Schlössern und an Kirchen. Unter seiner Ägide wurden in Reichenweier und Hunaweier zudem prächtige Häuser im Stil der Spätrenaissance errichtet.

Die Musikerfamilien Böddecker oder Froberger stehen beispielhaft dafür, dass im 17. Jahrhundert vor allem die gemeinsamen musikalischen Verbindungen weit über das Elsass, Mömpelgard und Württemberg hinausstrahlten.

Ausstellungsinfo

Die Ausstellung »Württemberg und das Elsass - 700 Jahre gemeinsame Geschichte« ist bis zum 5. Juli im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Konrad-Adenauer-Straße 4, zu sehen. Geöffnet ist Montag bis Mittwoch von 8.30 bis 17 Uhr, Donnerstag von 8.30 bis 19 Uhr und Freitag von 8.30 bis 16 Uhr. Zur Ausstellung ist ein reich bebilderter Begleitband (236 Seiten, 20 Euro, Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern) erschienen. (GEA)

www.landesarchiv-bw.de

Interessant ist auch zu sehen, wie Stipendiaten das Band der evangelisch-lutherischen Kirche zwischen Württemberg und seinen linksrheinischen Gebieten nachhaltig festigten. Graf Georg I. von Württemberg-Mömpelgard (1498-1558) hatte testamentarisch verfügt, dass Studenten aus dem Elsass und Mömpelgard ein Theologiestudium am Evangelischen Stift der Universität Tübingen ermöglicht wird, sodass diese anschließend Pfarrstellen in ihrer Heimat besetzen konnten.

Etwas gruselig, da sehr lebensecht mutet die Wachsbossierung an, die Georg II. von Württemberg-Mömpelgard in den 1670er-Jahren von seinem Gesicht anfertigen ließ. Dafür wurde Echthaar für das Haar, den Schnurrbart und die Wimpern verwendet, schließlich sollte bei dieser zur damaligen Zeit beliebten Kunstform die dargestellte Person in ihrer äußeren Gestalt möglichst originalgetreu nachgebildet werden. Im Fall Georgs II., um seinem Anspruch als souveräner Herrscher Ausdruck zu verleihen.

Wachsbossierung, die Georg II. von Württemberg-Mömpelgard in den 1670er-Jahren von seinem Gesicht anfertigen ließ.
Wachsbossierung, die Georg II. von Württemberg-Mömpelgard in den 1670er-Jahren von seinem Gesicht anfertigen ließ. Foto: Christoph B. Ströhle
Wachsbossierung, die Georg II. von Württemberg-Mömpelgard in den 1670er-Jahren von seinem Gesicht anfertigen ließ.
Foto: Christoph B. Ströhle

Die Ausstellung klammert die 150 Jahre zwischen der Französischen Revolution und dem Ende des Zweiten Weltkriegs aus - Jahre, die von politischen Auseinandersetzungen und verheerenden Kriegen gekennzeichnet waren - und lenkt den Blick abschließend auf die frühen Städtepartnerschaften zwischen Württemberg und dem Elsass, die seit den 1960er-Jahren wieder zu einer Annäherung Frankreichs und Deutschlands auf ihrem gemeinsamen Weg in ein geeintes Europa geführt haben. (GEA)