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Aktuell GEA-Interview

George Ezra: »Der Brexit ist einfach traurig«

Warum sich der Singer-Songwriter-Überflieger George Ezra ganz als Europäer fühlt

George Ezra, hier beim jährlichen deutschen Film- und Fernsehpreis »Goldene Kamera« der deutschen Fernsehzeitschrift »HörZu«, findet den Brexit einfach nur traurig. Foto: Hannibal Hanschke
George Ezra, hier beim jährlichen deutschen Film- und Fernsehpreis »Goldene Kamera« der deutschen Fernsehzeitschrift »HörZu«, findet den Brexit einfach nur traurig.
Foto: Hannibal Hanschke

LONDON. Er zählt zu den größten Nachwuchshoffnungen im Singer-Songwriter-Lager: Der Brite George Ezra, der im Juni 26 wird, feiert auch mit seinem vor etwas mehr als einem Jahr erschienenen Album »Staying At Tamara’s« Riesenerfolge. In Deutschland bekam er kürzlich die »Goldene Kamera« und spielt aktuell vor vollen Häusern – dieser Tage etwa in Stuttgart. Steffen Rüth sprach mit ihm über seine Lieder, seine Jugend und den Brexit.

 

GEA: Sie sind Engländer, Ihr erster Hit hieß »Budapest«, Ihr aktuelles Album haben Sie teils in Barcelona geschrieben. Was empfinden Sie angesichts des bevorstehenden Brexits?

George Ezra: Scham. Die Europäische Union ist eine fantastische Sache, ich bin als Jugendlicher überall mit dem Zug herumgefahren und habe diese Vielfalt in mich aufgesaugt. Sich jetzt damit abfinden zu müssen, bald kein Teil dieser Gemeinschaft mehr zu sein, ist verwirrend für mich. Und es ist verwirrend für sehr viele von uns jungen Leuten. Wirklich niemand von den Menschen, die ich kenne, will den Brexit. Es ist einfach nur traurig.

Ihr Album hingegen hört sich alles andere als traurig an, eher euphorisch.

Ezra: Manchmal bin ich überglücklich und es stimmt einfach alles. So einen Moment beschreibe ich in »Shotgun«, wo ich auf dem Beifahrersitz hocke und mir den Wind und die Sonne um die Nase wehen lasse. Aber häufiger sind bei mir die Momente, in denen ich aus dem Grübeln kaum herauskomme. Oft zerbreche ich mir den Kopf über Dinge, die ich gemacht habe, nicht gemacht habe, hätte machen sollen, besser nicht gemacht hätte. In meinen Songs wollte ich den glücklichen George betonen und den Grübel-George außen vor lassen.

Soll Ihre Musik auch ein Gegenmittel zur grassierenden schlechten Laune da draußen sein?

Ezra: Ja! In der Welt geschehen viele seltsame Dinge. Wenn ich jetzt auch noch traurige Songs schreiben würde, hätte ich selbst keinerlei Pause vom trüben Weltgeschehen. Und mein Publikum auch nicht. Ich möchte nicht jeden Abend im Konzert an die böse Welt erinnern und erinnert werden.

Warum ist die Welt so, wie sie ist?

Ezra: Das frage ich mich selbst. Wir leben im Luxus und wir haben alle Möglichkeiten, glücklich zu sein. Aber wir haben verlernt, diese Werkzeuge zu benutzen. Wir haben vergessen, wie leicht es ist, zufrieden zu sein. Social Media verstärkt diese Unzufriedenheit noch, dieses Gefühl, dass uns das Leben davonrennt und die cooleren Sachen immer bei den anderen Leuten passieren.

Hat der Hass durch das Internet zugenommen?

Ezra: Ich denke nicht, dass sich die Menschen mehr hassen, nur weil es jetzt Twitter gibt. Aber sie tun so, als würden sie sich mehr hassen. Im Netz sagt man Dinge, die man sonst nicht sagen würde. Wir müssen uns wohl noch an diese Form der Kommunikation gewöhnen, das heißt: gelassener werden, uns ein bisschen beruhigen.

Ihre Eltern sind beide Lehrer, Sie sind behütet aufgewachsen. Waren Sie ein liebes Kind?

Ezra: Ich habe meinen Eltern wenig Kummer gemacht. Ich bin mit zwei Geschwistern auf dem Land aufgewachsen, in Hertfordshire, und Mum und Dad sind immer sehr tolerant zu uns Kindern gewesen. Wir waren sehr frei. In den Sommerferien bin ich oft tagelang nicht nach Hause gekommen, wir zelteten bei irgendwelchen Freunden im Garten oder im stillgelegten Steinbruch.

War das erlaubt?

Ezra: Ja, in England gibt es ein Gesetz, dass Steinbrüche, in denen keine Steine mehr abgebaut werden, öffentliches Land sind. Man kann sich dort aufhalten, kleine Seen anlegen, grillen. Wir haben gern die Fische aus den umliegenden Fischzuchten geklaut und sie im Steinbruch-See ausgesetzt. Dort durfte man nämlich umsonst angeln. Unsere Angeln haben wir uns aus Bambus selbst gemacht und uns dabei gerne einen angesoffen (lacht).

Sie sind seit einigen Jahren mit der Musikerin Florence Arnold, genannt Florrie, zusammen. Hat die Beziehung Sie verändert?

Ezra: Gerade am Anfang hat mich unsere Liebe richtig übermannt. Es passierte auch eher unerwartet, obwohl ich meine Freundin zum perfekten Zeitpunkt traf: Ich wusste, ich würde eine Weile nicht auf Tour sein, so hatten wir die Chance, uns wirklich kennenzulernen. Mittlerweile wohnen wir seit anderthalb Jahren zusammen in London; das ist für mich das erste Mal, dass ich mein Leben wirklich mit einem anderen Menschen teile, abgesehen von meiner Familie natürlich.

Geht es auch in »Hold My Girl« um Sie und Ihre Freundin?

Ezra: Yeah, logisch. Der Text ist ehrlich gesagt nicht besonders komplex. Der Song handelt bloß davon, sich im Arm zu halten, die Augen zu schließen, und die Welt für eine Minute oder so auszublenden.

Ihre Karriere läuft phänomenal. Haben Sie das erwartet?

Ezra: Nein, gar nicht. Ich hatte mich eher darauf eingestellt, den Erfolg mit meiner Single »Budapest« und dem ersten Album »Wanted On Voyage« nicht wiederholen zu können. Denn seien wir realistisch: Nichts ist attraktiver als ein neuer Künstler. Dieses »Hör’ dir den Jungen mal an, der hat eine Stimme wie Bob Dylan« und solche Sachen sind ja dieses Mal weggefallen. Man wusste schließlich schon, wer ich bin. Also war ich echt verblüfft, als die Singles »Paradise« und »Shotgun« so krass abgingen.

Sind Sie jetzt an den Erfolg gewöhnt?

Ezra: Nein, ich versuche, das nicht so an mich heranzulassen. Als Musiker und Songwriter stehe ich noch relativ am Anfang. Man weiß nie, was passiert. Ich kann nur mein Bestes geben, aber ob die Leute das mögen, was ich mache, das kann ich nicht kontrollieren. (GEA)

 

George Ezra: 18. Mai, 20 Uhr, Schleyerhalle, Stuttgart