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Fröhliche Ernte

REUTLINGEN. Mit dem Erfolg seines Großwerks »Die Schöpfung« im Rücken komponierte Joseph Haydn kurz danach »Die Jahreszeiten«. Die Aufführung dieses Oratoriums, die am Samstagabend in der Stadthalle mit der Württembergischen Philharmonie Reutlingen, der Betzinger Sängerschaft und drei Solisten unter der Gesamtleitung von Martin Künstner stattfand, traf ebenfalls den Geschmack des Publikums, das minutenlangen Beifall und Bravorufe spendete.

Foto: Böhm
Foto: Böhm
Foto: Böhm
Das Werk in vier Teilen, in denen der Textinhalt fortlaufend musikalisch interpretiert wird, beginnt instrumental mit schweren, stapfenden Schritten des Winters, die aber schnell und unaufhaltsam von den jubilierenden Tönen des Frühlings verdrängt werden.

Lob des Fleißes

Da Haydn den Ablauf der Jahreszeiten mit einem idealisierten, idyllischen Landleben koppelt, lässt er stellvertretend für die Landbevölkerung den Pächter Simon (Markus Flaig, Bass), dessen Tochter Hanne (Siri Karoline Thornhill, Sopran) und deren Freund Lukas (Philipp Nicklaus, Tenor) auftreten. Mit gut zueinanderpassenden Stimmen beschrieben sie einsatzfreudig die Flucht des Winters und in langen, auskostenden Tönen die »lauen Winde«.Die Betzinger Sängerschaft stellte das »Landvolk« dar und sang mit einer beeindruckenden Chorgröße wie aus einem Guss. Bei einer sehr guten Textverständlichkeit kamen die Einsätze von Anfang an entschlossen und auf den Punkt. Sehr reizvoll waren die Aufteilungen in Frauen- und Männerstimmen beim »Frühling« oder später im »Herbst« bei der großen Jagd, in der die Sängerinnen und Sänger die von vielen Waldhorneinsätzen begleitete Szenerie mit Hasen, Hirsch und Hunden für den Zuhörer beschreiben. Immer blieb der Chor konzentriert und feinfühlig in der dynamischen Ausgestaltung und bildete mit dem hervorragenden Orchester ein harmonisches Ganzes. Markus Flaig verkörperte mit seiner tiefen, voluminösen Stimme in Arien und Rezitativen überzeugend den »Ackersmann«, der fröhlich zur Feldarbeit schreitet und mit dem Thema aus der »Sinfonie mit dem Paukenschlag« ein Lied pfeift. Mit großer innerer Anteilnahme wenden sich Simon, Lukas, Hanne und der Chor an den Himmel und bitten um das richtige Wetter für die Saat. Lautmalerisch werden das Springen der Lämmer und schwirrende Fische, Bienen und Vögel dargestellt. Mit Pauke und Bläsern wird in einem mächtigen, jubelnden Finale die Größe Gottes gepriesen. Worte wie »ewiger, mächtiger, gütiger« bekommen durch die Verteilung auf alle Akteure ein besonderes Gewicht, wobei gerade die Passagen mit raschen Wechseln die Flexibilität und Lebendigkeit der Sängerinnen und Sänger zeigten. Der »Sommer« bietet erstmals längere Gesangsteile für Hanne und Lukas, in denen Siri Karoline Thornhill und Philipp Nicklaus ihre klaren Stimmen besonders gut zur Entfaltung bringen konnten. Sie beschrieben einen kühlenden Bach und das Brennen der Mittagssonne, begleitet von kurzen schnellen Bogenbewegungen der Streicher, so expressiv, dass man es förmlich fühlen konnte. Dem Publikum wurden viele solcher Momente geboten, sodass auch schon einmal ein Zwischenapplaus ertönte.Im »Herbst« fügt Haydn ein »Lob des Fleißes« ein, das in einem schönen Zusammenklang von Solisten und Chor seinen Höhepunkt findet. Die Erntezeit ist auch die Phase der Feste, des Tanzes und der Freude über den Wein, die Haydn in langen fröhlichen Passagen zum Ausdruck bringt. Chormitglieder nahmen Triangel und Tambourine zur Hand. Es folgt der Winter, dem Haydn nach Versen wie »Der Erde Bild ist nun ein Grab« doch in »leichter Arbeit und Gespräch« der Nachbarschaft am Kamin etwas Positives abgewinnen kann. Die Schilderung der Natur geht über in Gedanken an den »ew'gen Frühling« im Paradies, das nur die Tugendhaften erlangen können. In einem majestätischen, grandiosen Finale bitten alle Beteiligten um die Führung Gottes. (GEA)