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Aktuell Konzertlesung

Flussklänge: Dizzy Krisch, Bernhard Hurm und Band im Rhythmus Hölderlins

In »Der Klang des Flusses« tauchen Dizzy Krisch, Bernhard Hurm und Band ein in den Rhythmus Hölderlins. Die Uraufführung fand im Rahmen des Landesjazzfestivals im Tübinger Evangelischen Stift statt.

Wanderungen in Klang und Wort: Bernhard Hurm, Dieter Schumacher und Dizzy Krisch.
Wanderungen in Klang und Wort: Bernhard Hurm, Dieter Schumacher und Dizzy Krisch. Foto: Thomas Morawitzky
Wanderungen in Klang und Wort: Bernhard Hurm, Dieter Schumacher und Dizzy Krisch.
Foto: Thomas Morawitzky

TÜBINGEN. Friedrich Hölderlins Werk ist übervoll von Bildern der Natur, die sich mit Ahnungen, Hoffnungen, Sehnsüchten und Gedankenbildern verbinden. Wichtiges Motiv darin auch: der Fluss des Wassers, die Flüsse, denen der Dichter als Wanderer und in seiner Vorstellung folgte. Dizzy Krisch ließ sich von Hölderlins Gedichten zu einer Musik inspirieren, die er im Tübinger Evangelischen Stift zur Aufführung bringt, einem Ort, der in Hölderlins Biografie seine Rolle spielte – dort studierte er Theologie – und der nicht weit entfernt liegt von jenem Turm, in dem der kranke Dichter viele Jahre verbrachte. Krisch, am Vibrafon, wird begleitet von Jochen Feucht an Querflöte und Sopransaxofon, Dieter Schumacher am Schlagwerk und Bernhard Hurm: Der Schauspieler liest die Texte des tragischen Genies, die Musiker bauen fließende, tänzelnde, ätherische Gebilde aus Klang um sie her auf.

Dizzy Krischs Vibrafon beginnt dieses Spiel mit wiederholten Mustern, schön und klar. Dieter Schumacher lässt ein Becken zischen, Jochen Feucht setzt auf der Flöte ein: Die Landschaft um den Flusslauf blüht, das musikalische Bild ist ein Idyll, das Wasser fließt und perlt. Dann Stille und das Geräusch von Wasser, eine Aufnahme. Später wird man auch Vogelstimmen hören. Dizzy Krisch spielt als Solist mit den Naturgeräuschen, malt neue Muster, lässt Töne lange stehen, beginnt einen Rhythmus, zu dem Feucht und Schumacher aufschließen, der stärker ausschreitet. Und Bernhard Hurms Stimme taucht auf, staunend: »Glückselig Suevien, meine Mutter!« – gemeint ist das Schwabenland, mit lateinischem Namen: »Von hundert Bächen durchflossen.«

Traum vom Land Homers

Hier schwärmt Hölderlin, hier sieht er die Wasser in die Welt hinaus ziehen, träumt schon vom Land des Homer. Die Musik wandelt sich, wird lebhafter, aufgeregter, aus Bächen werden Flüsse, Dieter Schumacher trommelt mit den Händen. Später dann, in einem weiteren Gedicht des Abends, sagt er: »Vielversprechende Ferne, dort, wo die Wunder sind!«, denkt aber an zu Hause, an des Neckars Weiden.

Hölderlins Sprache ist schwärmerisch, aber komplex. Bernhard Hurm fühlt sich ein in den Bau der Zeilen und Strophen und in das Gemüt des Dichters; seine Stimme tritt immer wieder zitternd aus dem musikalischen Weben hervor, er selbst hebt die Hände, geht einige Schritte aufs Publikum zu. Freilich: Es kommt schließlich auch »Die Hälfte des Lebens«, die Fahnen klirren im Wind, die Harmonie entgleitet mit einem harschen Ton der Flöte, mit Dizzy Krisch, dessen Anschlag härter wird, mit einer Eruption des Schlagzeugs. Danach noch das »Andenken«, Bernhard Hurm liest es fast ohne musikalische Begleitung. Hölderlin spricht darin von einem anderen Fluss, der Garonne, in Frankreich, und: »Was bleibet aber, das stiften die Dichter«.

Aufführungsinfo

Das im Rahmen des Landesjazzfestivals in Tübingen uraufgeführte Programm »Der Klang des Flusses« mit Dizzy Krisch, Bernhard Hurm und Band im Rhythmus Hölderlins wird auf der Bühne des Tübinger Sommertheaters (Neckarinsel) noch einmal gespielt am Freitag, 12. Juli, um 20.30 Uhr. Weitere Infos gibt es unter www.theater-lindenhof.de. (GEA)

Und es gibt eine Zugabe, doppelt, an diesem Abend, der auch eine kleine musikalische Skizze des Lebens von Friedrich Hölderlin zeichnet, musikalisch und in Worten: Jochen Feuchts Sopransaxofon singt lyrisch weit über Dieter Schumachers trippelnden Beckenschlägen und Dizzy Krischs ruhigen Harmonien. Bernhard Hurm liest »Das fröhliche Leben« – wann dieses Gedicht entstand, ist nicht genau bekannt, aber man weiß: Der Dichter saß schon im Turm, er war schon zwangsbehandelt, alles wirkt einfacher, kindlicher, gebrochener, aber die Naturbilder sind noch da, das Neckarufer und der Wein. (GEA)