Logo
Aktuell Kleinkunst

Eigene Sprachwelt

TÜBINGEN. Es ist eine ganz eigene Sprachwelt, in der der Südtiroler Dichter und Maler Georg Paulmichl lebt. Sie besteht aus Floskeln, Redewendungen, aus Politiker- und Behördensprache, und alles wird so miteinander vermischt und wieder zusammengesetzt, dass etwas Neues entsteht: neue, einfache Wahrheiten. Und alles klingt schräg, lustig, melancholisch und stimmt nachdenklich und heiter zugleich.

Paulmichl gilt in unserer Welt als »geistig behindert«. Er hat die Einzelteile seiner Umwelt verrückt und in seiner Sprachwerkstatt eigenwillig zusammengezimmert. Dass er über den Vinschgau hinaus so bekannt wurde, dass er eine eigene Fangemeinde besitzt, verdankt er seinem Betreuer in seiner Behindertenwerkstatt. Er schrieb alles auf, was Paulmichl von sich gab. Und das war nicht gerade wenig. Der Vinschgauer ist sehr gesprächig, sehr mitteilsam. Heute muss man sagen, »war sehr gesprächig«, denn er leidet an Parkinson, sitzt im Rollstuhl und kann kaum noch reden.

Dies übernahm nun im Zimmertheater Petra Afonin. Sie führte die Zuschauer in die Welt des Georg Paulmichl (»Ich habe Glück gehabt, dass es mich gibt«). Sie trug seine Texte vor, die teilweise von Susanne Hinkelbein musikalisch bearbeitet worden waren. Die Musikerin begleitete den Abend auch am Klavier.

Gekonnt Pointen gesetzt

Der Wechsel zwischen gesprochenen und gesungenen Texten gibt dem Abend ein starkes Gerüst. Afonin gelingt es, auch mithilfe der Musik, die Sprache Paulmichls sehr künstlerisch, sehr ausdrucksstark wirken zu lassen. Sie setzt gekonnt Pointen und schärft die Konturen eines Menschen, der die Welt auf seine ganz spezielle Weise sieht.

Und diese Welt besteht aus Schulen, Kirchen, aus Natur, aus seiner Werkstatt und seiner Kunst und aus viel Alltäglichkeiten. Zwei Kostproben: »Allein will der Mensch nicht das Leben kauern. Der Mensch braucht jemanden, dem er die Plaudertasche umhängen kann. Er braucht einen Lebenspartner zum Streitvergnügen.« Oder beim Familientreffen: »Die Verwandschaftsgilde bekomme ich wieder zu Gesicht. Die ganzen grantigen Tanten werden ihren Schnatterstrahl senden. Alles, was jeder weiß, wird noch einmal ordentlich erzählt.«

Afonin hält diese Sprache Paulmichls sehr gekonnt zusammen. Am Schluss steht sie dann sogar selbst kurz im Mittelpunkt. Es ist ihr Geburtstag. Und dafür erhält sie noch auf der Bühne von der Leitung des Zimmertheaters einen Strauß, Anerkennung und vom Publikum ein Ständchen. Ein besonderer Abend mit besonderen Texten. (vit)