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Aktuell Neue Musik

Eclat-Festival Stuttgart: Von Bä bis Jetztmusik

Druckfeuchte Kompositionen kamen einmal mehr beim Eclat-Festival im Theaterhaus Stuttgart auf die Bühne. Die musikalische Bandbreite war groß.

Johanna Vargas in »The Day Fanny Mendelssohn Died« beim Eclat-Festival im Theaterhaus Stuttgart.
Johanna Vargas in »The Day Fanny Mendelssohn Died« beim Eclat-Festival im Theaterhaus Stuttgart. Foto: Martin Sigmund
Johanna Vargas in »The Day Fanny Mendelssohn Died« beim Eclat-Festival im Theaterhaus Stuttgart.
Foto: Martin Sigmund

STUTTGART. Seit 43 Jahren bemüht sich der Verein Musik der Jahrhunderte Stuttgart um druckfeuchte Kompositionen. Anders als bei den mehr konzertanten Donaueschinger Musiktagen geht es der Crew um Christine Fischer und Lydia Jeschke vom SWR in den 17 Veranstaltungen der fünf Tage im Theaterhaus Stuttgart um neue Formate, die die Komponisten mit hochkarätigen Musikern entwickeln.

Bekannte musikalische Ideen gewinnen hier, kreativ weiterentwickelt, neue Perspektiven, die nicht nur für Gourmets verständlich sind, sondern ein breites Publikum ansprechen, was sich in den Besucherzahlen und der Altersstruktur zeigt. Für Erstbesucher gibt es Einführungen, Gespräche mit Künstlern und Bühneneinblicke, für Erschöpfte stehen sechs abgeschirmte Liegen bereit, und am Ende findet ein Fest statt. Den Eintrittspreis bestimmt der Besucher selbst als regulär, unterstützend, reduziert oder auf Antrag auch umsonst.

Musik am Bombentrichter

In (Teddy-)»Bä« von Clemens Thomas und Miriam Götz agiert ein Kind als Puppe, ein Bär, eine Klang-Zeitmaschine, ein Vater und ein Arzt zwischen Umzugskartons in wilden Fantasien. Der neunteilige Liederzyklus »The Day Fanny Mendelssohn Died« von Belenish Moreno-Gil und Oscar Escudero begleitet Fanny Mendelssohns Wirkung mit teils schrillen medialen Veränderungen vom Salonlied bis zum kosmischen Raum. Musik zwischen Ahnen und Ungeborenen an einem Bombentrichter auf einem Terracotta-Horn und auf einer Trompete für ein Kasperltheater stellt Liza Lim mit bitterem Humor gegenüber; solistisch virtuos auf beiden Instrumenten: Marco Blaauw.

In »Nun Nacht« für Obertonsängerin, Chor, Cembalo und Marimba spielt Mia Schmidt mit den Klangbestandteilen des Wortes Nacht in verschiedenen Sprachen und führt mental durch Schönheit, Ängstlichkeit, Unsicherheit und Furcht. Eine ganze Familie mit ihrem täglichen Wahnsinn bringt Aaron Holloway Nahum in einem Dialog zwischen Trompete und Bariton auf den Punkt. Das Instrument wird dabei zur Stimme, die Stimme zum Instrument; ein hoch virtuoser, humorvoller Disput, der familiäre Verständigung assoziiert.

Künstler im Glashaus

Chor in sechs Reihen, bei dem die Sänger nach wortgebundenen Tönen und Pausen die Richtung ändern, vermitteln ohne Dirigent eine archaische Strenge in Verbindung mit einem lebendigen rhythmischen Puls in Michael Reudenbachs »Was noch«. Erstmalig stellt sich Christoph Ogiermann nicht nur als Komponist, sondern auch als bildender Künstler im Glashaus dem Publikum vor.

Das Stuttgarter ECLAT-Festival gilt inzwischen weltweit als eines der spannendsten Festivals für Neue Musik. (GEA)