REUTLINGEN. Der Bass knallt, das Keyboard zwitschert, dazu gibt es einen kräftigen Beat, und alles ist ganz unverschämt rosa. Principess aus München sind die zweite von drei Bands, die am Samstagabend bei »Encore« im Foyer des Reutlinger Kulturzentrums franz.K aufspielen, sie sind nicht kleinlaut, sie sind laut, und sie wirken wie drei Barbies, die das Teenie-Alter hinter sich haben und auf fröhliche Rache sinnen. Deklariert wurde ihre Musik bereits als »Frauenpower-Kraut-Pop und Italo-Post-Wave«, aber man darf sich gerne auch erinnert fühlen an die Neue Deutsche Welle und an Eurodisco.
Sie haben ein Debüt-Album veröffentlicht, dessen Cover eine Art Hüpfburg oder ein rosarotes Zuckergebäck zeigt, das jedenfalls die Form einer riesigen aufblasbaren Vagina auf freiem Felde hat; sie kleiden sich in rosa Jäckchen oder silberglitzernde Hosen mit sehr langem Bein, in hohe Stiefel und fransig weiße Kunstpelzgebilde; sie haben lange, lange Schals bei sich, über die sie fast stolpern, und sie lassen es krachen. Ihr erstes Stück ist eine Version des noch immer notorischen Ketchup-Songs von Las Ketchup, dem Sommerhit des Jahres 2002. Teresa Staffler bedient entschlossen das Keyboard, Julia Viechtl greift an mit Bassgitarre, und Maria Moling, die wilde Frau am Schlagzeug, kennt man vielleicht noch von ihrer Zeit bei Ganes, der Band, die auf Ladinisch sang und auch einmal zu Gast war im franz.K. Sie trägt ein Krönchen. Principess singen im Chor »Ahhh«-Laute zu einem Crescendo aus Trommelschlägen und New-Wave-Keyboards, sie singen: »Alle sind so nett, alle sind so nett!«
Starkes Solo
Ganz anders Fastmusic aus Leipzig, die den Abend eröffneten und alles andere als schnelle Musik spielten, eher solche, die sich mit einem ganz feinen, ätherischen Beat fast schon am unteren Rande der Hörgrenze in alle Ewigkeit dehnen wollte, flüsternd Botschaften von zart empfindenden Seelen übermittelte, mit unbewusster Eindringlichkeit zum Tanzen animierte. Fastmusic sind zumeist ein Trio mit Bass und Gitarre. Die Gitarre hat es in sich – sie tickt, sie schnurrt, sie springt geschwind auf leise hallenden Tönen umher und bricht manchmal aus in ein sehr starkes Solo. Strukturen, die vom Blues herkommen, dominieren. Der Gitarrist ist ein junger Mann, der sich Bela Fast nennt, mutmaßlich nicht so heißt, und der sich irgendwo eine Perücke besorgt hat, die ihn aussehen lässt wie Carla Bley. Mit anderen Worten: Man weiß so gut wie nichts von dieser Band, außer, dass sie ankommt im franz.K. Eine Saxofonistin schließt sich dem Duo manchmal an und klingt fantastisch.
Ganz früh am Abend war der Performance-Künstler Manfred Peckl da, baute im Zugang zur größeren Halle im franz.K seine bildhauerischen Arbeiten auf – Strichmännchen mit Blumenhäuptern, Leidenskronen aus Buchstabenketten – und trug, mit einer solchen Krone auf dem Kopf, vor aus seinen delirierenden Werken: »Wie wer, der lutschwandelt, herumlungernd, lagern welche hinter der Warnung. Dort wartet die Strafe, links und gleich wieder links.« Oder er sang: »My Psychatrist told me / that I’m not really OK«.
Melodischer Indie-Rock
Spät am Abend dann betreten Nitsch die Bühne, kommen ebenfalls aus München: Zu ihnen gehören vor allem Nick McCarthy, der einmal Songwriter von Franz Ferdinand war, in Reutlingen schon für ungläubiges Staunen sorgte mit dem Lunsentrio, und der Grazer Schauspieler Niklas Mitteregger. Außerdem ein Schlagzeug und eine Bassistin. Sie spielen melodischen Indie-Rock mit österreichischem Einschlag.
»Encore« ist, was blieb vom Kunstraum Vitamin, einer Reutlinger Kulturinstitution. Michael Heuser trägt gemeinsam mit Soundtechniker Armin Schmidt das Erbe weiter und gibt sich offen: Die letzte Zugabe war dies vielleicht also nicht, vielleicht folgen noch viele. (GEA)