Logo
Aktuell Konzert

Die schwarzen Krähen fliegen wieder: The Black Crowes in der Stuttgarter Liederhalle

Die US-Band The Black Crowes gab in der Stuttgarter Liederhalle kein sauberes, aber ein kraftvolles Konzert.

Mit schwarzem Schlips: Chris Robinson von den Black Crowes.
Mit schwarzem Schlips: Chris Robinson von den Black Crowes. Foto: Thomas Morawitzky
Mit schwarzem Schlips: Chris Robinson von den Black Crowes.
Foto: Thomas Morawitzky

STUTTGART. Irgendwann erspielten sich The Black Crowes den Ruf, »The most Rock ’n’ Roll Band in the World« zu sein. Das zwar ist eine Weile her und unterschlägt einerseits die Tatsache, dass es die Rolling Stones immer noch gibt, und andererseits jene, dass R’n’B und Soul im Stil der wilden Amerikaner ebenfalls eine große Rolle spielen. Trotzdem: Am Donnerstagabend ist ganz viel Rock ’n’ Roll zu Gast im Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle – und gut 2.000 Fans, die ihn haben wollen.

Zur Erinnerung: In den 1990er-Jahren, in denen keine Metal- oder Hardrock-Band mehr nach Blues klang, machten The Black Crowes dort weiter, wo die Stones und andere aufgehört hatten. Ihre Musik war vollgesogen mit Einflüssen der Black Music, sie spielten roh und schmutzig, schnell und schnodderig, sie polierten die Poesie der Puffs und Spelunken, sie drehten ganz groß auf. »Shake Your Money Maker« nannten sie ihr erstes Album von 1990, eine klare Referenz auf James Brown. Daran, dass Otis Redding sein Gott ist, lässt Chris Robinson auch heute keinen Zweifel – er ruft es in die Liederhalle hinaus, und bei jedem langen, zitternden Ton, den er singt, jedem harten Stakkato, das er in sein Mikrofon spuckt, ist es evident.

Erstes Studio-Album seit 14 Jahren

The Black Crowes waren lange Zeit still. Die Band löste sich auf, startete neu, mehrmals. 2019 kündigte sie an, dauerhaft zurückzukehren, und wurde von der Pandemie gebremst. 2020 feierten die Black Crowes dennoch das Jubiläum ihres Erstlings. Und nun, am 15. März, erschien mit »Happiness Bastards« ihr erstes Studio-Album seit 14 Jahren. Ein »Liebesbrief an den Rock ’n’ Roll« solle es sein, ließ Sänger Chris Robinson verlautbaren; ausgebremst klingt es nicht. »Bedside Manners«, mit dem das Stuttgarter Konzert eröffnet, und »Wanting And Waiting«, die Vorab-Single, die irgendwann mitten im Set zuschlägt, sind harte, bissige Rocksongs.

Und so gestaltet sich der ganze Abend: Rich Robinson, der jüngere der beiden Robinson-Brüder, die Gründer und einzig verbliebene Mitglieder der ursprünglichen Black-Crowes-Formation sind, feuert Riffs ab, die sich irgendwo in der Luft und im Ohr festhaken, während Chris Robinson mit kehliger Stimme und ausgeflippter Gestik ums Mikrofon tänzelt, den Apparat auch öfter mal am Ständer packt und über seinem Kopf umherwirbelt wie ein irrer Zirkusdirektor, vor dem großen Spiegel in der Bühnenmitte umher wackelt, sich ekstatisch zurückwirft und mit langem Atem einen Refrain kreischt.

Rock 'n' Roll als Zirkus

The Black Crowes feiern Rock 'n' Roll als Zirkus; auch dabei haben sie große Vorbilder. Ihre Bühne wirkt wie ein Zelt, mit bunten Lampen, die in eine Kuppel zielen. Das Licht auf den üppigen Vorhängen wechselt alle Farben; hoch droben sitzt Schlagzeuger Cully Symington und trommelt wie ein Rasender. Sven Pipien am Bass ist seit vielen Jahren schon dabei; Nico Bereciartua an der Gitarre und Erik Deutsch an den Keyboards sind jüngst zur Band gestoßen. Zwei Backgroundsängerinnen jubilieren gleich neben dem Schlagzeug und nahe dem Bühnenhimmel – ihr Einsatz schält sich erst langsam heraus, denn leider klingt die Abmischung, zumindest zu Beginn, sehr breiig und lässt ein differenziertes Hören kaum zu. Das bessert sich im Laufe des Abends, und außerdem ist es ohnehin egal: Die Energie stimmt, die schwarzen Krähen fliegen wieder. Wobei Robinson und Robinson doch auch ein wenig grau geworden sind. In ihrem Innersten aber ganz ohne Frage nicht.

Die Band aus Atlanta spielt gut 100 Minuten. Ihr neues Album ist mit fünf Titeln im Konzert vertreten. Beim Otis-Redding-Cover »Hard to Handle« – einem Hit vom ersten Album der Black Crowes - schließen zwei Saxofonisten auf zur Band und der Sound wird souliger. »Road Runner«, ein Stück von Bo Diddley, gab es schon zuvor. »P. 25 London«, »Thorn in My Pride«, »By Your Side« sind Klassiker der Black Crowes. Die Setlist des Abends weist einige Unterschiede zum Konzert auf, das sie einen Tag zuvor in Frankfurt am Main gaben. Ihre Zugabe ist dieses Mal ein eigenes Stück, »Virtue and Vice« von 1999. Davor aber kommen noch »She Talks To Angels«, »Jealous Again« und »Remedy«: Rock ’n’ Roll! (GEA)