STUTTGART . Nein, am Gastspiel von Mark Knopfler in der mit rund 10 000 schwitzenden Menschen gefüllten Hanns-Martin-Schleyer-Halle gibt es außer der Bruthitze nichts auszusetzen. Angefangen vom ausgesprochen klaren Klang über die fast zwei Stunden Musik bis zum Inhalt: Es stand Mark Knopfler auf dem Etikett und es war Mark Knopfler drin.
Längst ist es ja obsolet, darüber zu meckern, dass einer seine alten Hits spielt, statt Neues zu bieten. Und so wäre das auch hier unangebracht, zumal der ehemalige Dire-Straits-Frontmann einige Stücke seiner jüngsten CD »Privateering« spielt und seine sieben hervorragenden Begleitmusiker mit Geige, Flöte und Dudelsack immer wieder Folkfeeling einstreuen.
Aber die meisten Fans sind gekommen, um Hits wie »Romeo and Juliet«, »Sultans of Swing«, »So Far Away« oder den Überhit »Telegraph Road« zu hören, die er allesamt ebenso routiniert wie mitreißend präsentiert. Dabei gestattet sich Knopfler in seinen Soli nur minimale Abweichungen von dem, was auf seinen Platten zu hören ist, malt allenfalls noch zwei, drei akustische Bausteine mehr mit seiner Stratocaster oder Gibson.
Saubere Saitenarbeit
Knopfler ist und bleibt ein äußerst disziplinierter Gitarrist, für dessen klare, kurze Läufe das englische Wort dafür, »Licks«, schon zu schmutzig klingt. Tina Turner sagte einst zu Beginn ihrer Version von »Proud Mary«, sie werde den Song nicht »nice and easy«, sondern »rough« singen, und Mark Knopfler hält es genau umgekehrt mit seiner Musik. Er ist ein Romantiker der Gitarre, kein Mann der großen Worte – und am allerwenigsten ein Rock ’n’ Roller.Und es scheint, als habe ihn das Alter noch etwas besinnlicher, ja melancholischer werden lassen. Aber der Mann ist ja immerhin auch schon 65 und mehrfacher Papa, und da trifft er vermutlich den Nerv seines Publikums, das in Stuttgart zum großen Teil aus Fifty-Somethings besteht, weswegen die Halle wohl auch bestuhlt ist. Und so wirkt die Musik mitunter wie passend zur Schrankwand in Birke mit der Mikro-Anlage im entsprechenden Design.
Gleichwohl gelingen seinen Musikern auch Einwürfe, die etwas abweichen vom Dire-Straits-Format: ein schön erdiger Blues, eine leicht angejazzte Nummer und immer wieder Folk-Einsprengsel wie bei den neueren Stücken »Pivateering«, »Postcards from Paraguay« oder dem berührenden »Piper to the End« als zweite Zugabe.
Ökonomischer Stimmeinsatz
Ansonsten erweist sich der 65-jährige Schotte als kluger Ökonom, etwa wenn er seine Stimme schont und gar nicht erst versucht, in die Höhe der Studioaufnahmen von vor zwanzig Jahren zu kommen, sondern eine Oktave drunter bleibt. Dafür ist sein Gitarrenspiel und die Demonstration seiner Fingerfertigkeit nach wie vor ein Ereignis und beschränkt sich keineswegs nur auf den letzten Song des regulären Konzerts. Da, bei »Telegraph Road«, zeigt er sein ganzes Können und spielt ein vor Energie vibrierendes, zupackendes langes Solo, das bei aller Rasanz doch unglaublich klar bleibt.Hier beweist Mark Knopfler, dass er noch immer der Alte ist, zwar gesetzter und etwas elegischer mit dem Folk seiner schottischen Heimat, aber gleichzeitig frisch und konzentriert. Am Ende stürmen die Leute nach vorne zur Bühne und meine Sitznachbarin schwärmt in den höchsten Tönen: »Mal wieder einem wahren Genie bei der Arbeit zugeschaut.« (GEA)