METZINGEN-GLEMS. Das Konzert war effizient, ohne Schnickschnack und auf die Rhythm ’n’ Blues-Power der drei kongenialen Bläser abgestimmt: Der in Liverpool geborene Albie Donnelly und seine Mitspieler gastierten am Donnerstag im Glemser Hirsch, und natürlich war die Hütte rappelvoll. Zum Dank begeisterte die britische Band Supercharge die eng an eng stehenden und sitzenden Besucher mit dem, was sie seit fast 50 Jahren am liebsten tut: mit vital gespielter R&B-Power.
Charismatischer Charakterkopf
Pünktlich um halbneun stehen sie auf der Bühne, die sechs Musiker und ihr Bandleader Albie Donnelly, dessen Saxofonsoli und eindringliche Stimme Nostalgikern sofort einen Ausdruck seliger Verzückung ins Gesicht zaubert. Bei ihrem umjubelten Auftritt im überfüllten Hirsch entfachen die Briten von Beginn an das Feuer. Auch sonst heißt die Losung an diesem Abend Tanzen und Spaß haben, wenn der charismatische Charakterkopf Albie Donnelly und seine Crew eine Rhythmus-Rakete nach der anderen zünden. Dabei schauen die Bandmitglieder nicht aus wie eine Band mit Kultstatus, sondern eher wie die Kumpeltypen von nebenan, als die sie ihre Anhänger seit fast 50 Jahren verehren.
Der Punk geht ab
Mit dunkel getönter Brille, Rauschebart und auf Hochglanz polierter Glatze schlurft Donelly auf die Bühne – und schon hat er die Kneipe in ein Tollhaus verwandelt, in der alte Freunde einem alten Freund beim Geschichtenerzählen zuhören. Die Gruppe, die seit 1973 in wechselnden Besetzungen durch die Konzertsäle der Welt tourt, hat zwar keine wirklichen Hits produziert, und die Heimat des Septetts sind heute eher die bescheidenen Livebühnen. In Bezug auf Spielfreude, Bühnenpräsenz und Perfektion haben die Musiker aus Deutschland und Großbritannien jedoch gegenüber früher fast noch zugelegt.
Albie Donnelly ist ein (musikalisch) junggebliebener und routinierter Saxofon-Hallodri mit viel britischem Humor, der die Stimmung so lange anheizt, bis die Menschen im Saal ausflippen, tanzen und johlen. Zudem hat er eine einprägsame Bluesstimme: kraftvoll, angeraut, unverwechselbar. Der Tenorsaxofonist und seine Mitspieler André Tolba (Gitarre, Gesang), Jürgen »Big Jay« Wieching (Baritonsaxofon), Thorsten Heitzmann (Posaune), Sascha Kühn (Organ, Piano), Wolfgang »Bolle« Diekmann (Bass) und Uwe »Rocky« Petersen (Schlagzeug) sind nicht ohne Grund noch immer eine der aktivsten und vor allem innovativsten Formationen innerhalb des Rhythm ’n’ Blues.
Aber es sind bei Weitem nicht nur Donnellys Stimme und Saxofonsoli, die begeistern. Beeindruckend ist auch das selbstverständliche Spiel, mit dem seine Mitstreiter all die Möglichkeiten ausschöpfen, die der Blues, der Boogie Soul, Funk und Rock ’n’ Roll bieten: Vor allem der ebenfalls singende Gitarrist André Tolba und Baritonsaxofonist Jürgen Wieching harmonieren prächtig mit Donnelly. Und dann ist da ja noch dieser trockene britische Humor, mit dem Donnelly die R&B-Kracher ankündigt: »Jetzt kommt eine schöne Komposition von Roberto Blanco«, witzelt er und zündet darauf eine weitere Rhythmus-Rakete, bei der sprichwörtlich der Punk abgeht. (GEA)