REUTLINGEN. »Kolumne, die. Von stets demselben [prominenten] Journalisten verfasster, regelmäßig an bestimmter Stelle einer Zeitung oder Zeitschrift veröffentlichter Meinungsbeitrag.« So weiß es der Duden. Man staunt fast, dass er Axel Hacke nicht als Beispiel aufführt. Denn der gehört seit Jahrzehnten zu den beliebtesten Kolumnisten Deutschlands. Seine kurzen Grübeleien und Wortkunstwerke, vor allem von der Süddeutschen Zeitung publiziert, packte er inzwischen auch in 25 Bücher.
Am Mittwochabend kamen etwa 200 Gäste ins franz.K, um dem 60-Jährigen zu lauschen. Sie begegneten einem Gentleman-Formuleur, der vortrefflich pointierte und unterhielt, der plauderte und vorlas aus seinem Textrepertoire von Jahrzehnten. Mal ging’s um den Frischsperma-Einsatz bei Zuchthengsten, mal um vegane Wurst oder Vater-Sohn-Dialoge auf der Fahrt zum Kindergarten, mal ums ehe-interne Zusammentreffen eines Behalters mit einem Wegschmeißer. Ein Kernpunkt in Hackes Schaffen sind Missverständnisse und Verhörer, die neue Bedeutungen schaffen. Er sei »einem bis dahin unentdeckten Volksphänomen auf die Schliche gekommen«. So entstand sein Buch »Der weiße Neger Wumbaba«, das seinen Namen von einem Verhörer am Strophenende des Lieds »Der Mond ist aufgegangen« bekam. Bis heute schreiben ihm Leser neue Prachtstücke: Gurkenzieher. Reichsverschluss. Zwitscherdütsch. Die Zuhörenden liebten das, der Lach-Quietsch-Pegel war gelegentlich geradezu dinner-for-one-esk. Bevor es den Leuten zu wohlig wurde, zog der Autor klare politische Kanten. Überall dort, wo die Wahlbeteiligung unter 50 Prozent fällt, will er über Nacht eine Diktatur einführen. Ab dann könnte man in diesem Gebiet getrost Autobahnkreuze und Mülldeponien platzieren, weil sich keiner mehr wehren kann. Hacke diagnostizierte unserer Zeit eine grassierende Dummheitsepidemie. Den Dummen mache es aus, dass er glaube, Wissen nicht zu benötigen. Wie die »Lügenpresse«-Brüller, die selbst unentwegt Lügen verbreiten und Fakten ignorieren. Er sprach auch über jene Platte von Heino, auf welcher der Volksmusiker Hits von Rammstein, den Ärzten und den Toten Hosen spielte. Grund genug für Hacke, Heinos alte Texte zu betrachten. Er fand viel Dümmliches und den »Lieblings-Schwulst der Hitlerjugend und der Wehrmacht«. Ja, Heino hat das Deutschland-Lied mit allen drei Strophen gesungen. Und auch »Wenn alle untreu werden«. Das sei »zwar ein älteres Volkslied, aber, wenn ich mich nicht irre, kam es im Liederbuch der SS gleich nach dem Horst-Wessel-Lied. Hier endet mein Humor.« Danke dafür, gerade in diesen Tagen. (GEA)