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Das Quatuor Arod beim Kammermusikzyklus: Auskosten von Extremen

Szene aus dem Konzert.  FOTO: VARADY
Szene aus dem Konzert. FOTO: VARADY
Szene aus dem Konzert. FOTO: VARADY

REUTLINGEN. Es gibt Musiker, die nicht nur Klänge produzieren, sondern mit ihrer Musik viel mehr vermitteln: Emotionen, Gedanken, bisweilen ganze Geschichten. Am besten gelingt dies bei guter Kammermusik, wenn die Persönlichkeiten der Musiker mit denen des Komponisten verschmelzen. Wobei dies alles noch nichts ist, wenn nicht auch die Künstler selbst eine Einheit bilden, wo jeder seine Individualität einbringt und doch ein gemeinsamer Geist herrscht.

Die vier jungen Männer des Quatuor Arod (Jordan Victoria und Alexandre Vu an der Geige, Tanguy Parisot mit Viola und Jérémy Garbarg am Cello) verkörpern all dies. Im Konzert des Kammermusik-Zyklus wurde am Donnerstagabend der kleine Saal der Stadthalle von diesem Schöpfergeist durchdrungen. Bereits im ersten Satz des Streichquartetts Op. 44,1 von Mendelssohn war die Intimität spürbar, vital und frei, welche mit den Zuhörern geteilt werden wollte. Extreme wurden ausgekostet, es konnte vibrieren, klangvoll sein, mit kräftigen, baumstarken Strichen, oder bis zum Äußersten in zarteste Sphären beinahe verschwinden.

Hier herrscht eine Liebe zum Klang, zum Gestalten, zum Sich-Selbst-Finden, und doch auch ein Sich-Finden als Gruppe. Wenn die Köpfe sich immer wieder zueinander beugten, war es beinahe so, als ob ein Geheimnis enträtselt werden sollte: Das Geheimnis der Musik? Auch der zweite Satz war pure Kommunikation. Blicke, Mimik akzentuierten die Intensität des Gespielten. Feinste Nuancen waren im Andante zu fühlen, während der Schlusssatz ein präziser, lebendiger war.

Bogenstriche wie Schwerthiebe

An zweiter Stelle stand »Al’Asr« von Benjamin Attahir, eigens für das Quatuor Arod komponiert, eine sportliche Sache. Kantig und eckig ging es hier zu. Bogenstriche wie Schwerthiebe, hartes Zupfen, raues Kratzen der Bögen, als ob man mit Fingernägeln über Holz kratzt, gelegentliches »Hineinrufen« in ein Gequirle. Wenn eine kurze Ruhe da war, dann kam bald wieder das Wilde hervor, sodass die Rosshaare nur so spritzten. Hier war es wieder, das leidenschaftliche Auskosten der Extreme, das Körperliche, die Intensität.

Nach der Pause Debussys Streichquartett Op. 10. Eine weitere große Qualität des Quartetts zeigte sich hier im dritten Satz. Ein silberner, samtener Klang mit duftigem Pianissimo, eine sensible, innerlich empfundene Melodie der ersten Geige, ein Verklingen im Nichts, spinnenwebenfein, dann atemlose Stille.

Der Schlusssatz war wieder ein Geschichtenerzählen, unterstrichen von wirbelnden Haaren und aufgerissenen Augen. Da das Publikum reichlich Beifall spendete, wurden ihm »small gifts« in Form zweier Zugaben geschenkt. Bis zur letzten Note war dies ein Reichtum an gefühlten Gedanken. (GEA)