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Aktuell Interview

Buchmesse-Gastland Slowenien: Autorin des Landes publiziert Buch in Tübinger Verlag

Die preisgekrönte slowenische Autorin Suzana Tratnik bezeichnet sich selbst als lesbische Aktivistin und schreibt über die queere Szene in ihrer Heimatstadt Ljubljana. Eines ihrer Bücher, »Die Pontonbrücke«, ist im Tübinger Konkursbuch Verlag publiziert.

Die slowenische Autorin Suzana Tratnik bei ihrem Besuch auf dem Tübinger Bücherfest im September.
Die slowenische Autorin Suzana Tratnik bei ihrem Besuch auf dem Tübinger Bücherfest im September. Foto: bin
Die slowenische Autorin Suzana Tratnik bei ihrem Besuch auf dem Tübinger Bücherfest im September.
Foto: bin

TÜBINGEN/LJUBLJANA. Mit ihren blauen Haaren sticht sie aus jeder Menge heraus: die queere Aktivistin und preisgekrönte Autorin Suzana Tratnik aus dem slowenischen Ljubljana. Jüngst wurde eines ihrer Bücher - ein Roman, in dem es um die junge Queer-Szene in den 90er-Jahren in Ljubljana geht - im Tübinger Konkursbuch Verlag publiziert. Slowenien ist zwar eines der kleinsten Länder in Europa, überzeugt jedoch mit einer großen Literatur- und Kulturlandschaft. Nicht umsonst wurde es zum Ehrengast der diesjährigen Frankfurter Buchmesse gekürt. Ein Gespräch über Tratniks Leben als queere Autorin, über die Literaturszene in Slowenien und darüber, wie es ihr Buch nach Tübingen schaffte.

GEA: Warum sind Sie Autorin geworden?

Suzana Tratnik: Da gab es eigentlich nicht diesen einen spezifischen Moment, das waren eher viele kleine Dinge, die dann dazu geführt haben, dass ich Autorin geworden bin. Als Kind liebte ich es zu lesen, weil mir das eine Möglichkeit bot, in die verschiedensten und faszinierendsten Welten zu reisen. Ich habe als Kind außerdem viel geschrieben. Meistens Porträts von Tieren, ein Tagebuch oder Science-Fiction-Geschichten. Das Schreiben hat mir geholfen, mich selbst kennenzulernen, kreativ zu sein und dadurch auch stärker zu werden. Zuerst dachte ich, dass das Schreiben einfach eine Sache ist, die ich zwar mag, mit der ich aber niemals hätte Geld verdienen können. Der Gedanke kam mir vor allem, weil mich weder meine Familie noch die Menschen um mich herum dabei unterstützt haben. Jeder dachte, dass eine Autorin zu werden nur ein Traum war - das dachte ich zuerst auch. Doch mein Traum wurde Wirklichkeit. Nämlich, nachdem ich 1998 mein erstes Buch veröffentlichte und offiziell den Titel einer »Selbstständigen Kunstschaffenden«, ein Status, der Künstlern vom slowenischen Kulturministerium verliehen wird, bekam.

Was mögen Sie am meisten an Ihrem Beruf?

Tratnik: Dass ich schreiben kann, wann immer ich Zeit für mich selbst habe. Dass ich über Themen schreiben kann, über die ich wenig in der Öffentlichkeit höre, die mich wütend machen oder mich berühren. Dass ich verschiedene Perspektiven auf bestimmte Themen geben kann, beispielsweise über die Rechte von Lesben, Feministen oder LGBT+-Menschen und deren Leben. Eine Geschichte oder ein Buch fertig zu schreiben, gibt mir ein unglaublich starkes Gefühl von Zufriedenheit. Das Gefühl kann ich mit nichts anderem auf der Welt vergleichen.

Gibt es etwas, dass Ihnen gar nicht am Autorin sein gefällt?

Tratnik: Nein. Ich meine, manchmal habe ich das nervige Gefühl, mit meinem Text nicht voranzukommen, oder brauche viel Zeit, um weiterzuschreiben, aber das ist meiner Meinung nach auch ein Teil des kreativen Schreibprozesses.

Sie schreiben viel über queere Themen und sind auch öffentlich in diesem Bereich aktiv. Wie ist das?

Tratnik: Ich bin seit 1987 eine lesbische Aktivistin und habe das auch in mein Studium eingebunden. Ich habe ein Diplom in Soziologie und einen Master in Geschlechteranthropologie. Eine lesbische und LGBT-Aktivistin zu sein, ist ein wichtiger Teil meines Lebens, das ist, was ich bin und das ist eine der wichtigsten Eigenschaften, die ich besitze. Ich habe vor den 80ern wenig über queere Persönlichkeiten in der slowenischen Literatur gelesen und finde es deswegen sehr wichtig, genau über diese blinden Flecke in der Kultur und dem Alltag zu schreiben. Kurz gesagt, ich wollte über das schreiben, was ich in der jugoslawisch-slowenischen Literatur vermisst habe und worüber ich selber gerne lesen würde. In verschiedenen Drehbuch-Workshops sagen sie immer: Denke an den Film, den du sehen möchtest und schreibe mit diesem Gedanken im Hinterkopf dein Skript.

Erhalten Sie in Slowenien oder auch sonst Gegenstimmen zu Ihren Büchern oder Ihren Meinungen?

Tratnik: Wenn du ein Autor oder allgemein ein Künstler bist, dann solltest du aufrichtig, ehrlich und manchmal gewagt sein. Das ist genau der Punkt, von dem Kunst herrührt. Ich finde es also nicht schlimm, als 'die lesbische Autorin' bezeichnet zu werden, weil ich das (auch) bin. Ich war eine Aktivistin, bevor ich Bücher veröffentlicht habe und war es daher gewohnt, mit der Gesellschaft zusammenzustoßen. Ich wusste, dass ich viel kämpfen muss und auch, dass es schwieriger ist, das Vertrauen von Menschen in dich und deine Arbeit zu bekommen, wenn du dich öffentlich als queere Aktivistin positionierst. Das war meine persönliche Herausforderung, und ich bin froh, dass ich sie angenommen habe. Ich scherze gerne darüber, dass ich zuerst als lesbische Aktivistin bekannt war und erst dann als Autorin und meine Künstlerkarriere also schon vor ihrem Start ruiniert war. (lacht) Mittlerweile gibt es eine starke lesbische Autorinnen-Szene in Slowenien, auf die ich sehr stolz bin. So viele Autoren, Lesben, Schwule oder queere Menschen haben sogar wichtige nationale Auszeichnungen erhalten, wie beispielsweise Nataša Velikonja, Kristina Hocevar, Jedrt Maležic, Urška Sterle, Iva Jevtic, Nataša Sukic, Nina Dragicevic, Veronika Razpotnik, Tanja Matijaševic, Brane Mozetic, Pino Pograjc und viele mehr. Ich glaube nicht, dass die slowenische Gesellschaft im Allgemeinen gegen queere Themen ist, sondern, dass diese Themen manchmal von den vorherrschenden heteronormativ Denkenden vernachlässigt werden. Trotzdem muss ich an dieser Stelle auch sagen, dass ich schon in Ländern war, in denen mir stark davon abgeraten wurde, etwas über meine queeren Bücher zu sagen. Das überrascht mich als Aktivistin jedoch nicht.

Wie kam es dazu, dass Ihr Buch im Tübinger Konkursbuch Verlag veröffentlicht wurde?

Tratnik: Ich kenne Claudia Gehrke (Anmerkung der Redaktion: Tratniks Verlegerin) und ihren Konkursbuch Verlag schon eine lange Zeit und habe ihre Arbeit sowie die wichtigen Bücher, die sie veröffentlicht, immer bewundert. Ich habe einige Artikel für »Das lesbische Auge« geschrieben und war daher im Kontakt mit Claudia. Ich habe mir gedacht, dass mein Buch »Die Pontonbrücke« eine gute Wahl für ihren Verlag sein könnte, und irgendwie hat die Zeit auch einfach gepasst, weil Slowenien ja das Gastland der diesjährigen Frankfurter Buchmesse ist. Ich bin so dankbar und glücklich, mein Buch auf Deutsch übersetzt zu sehen!

Wie fühlt es sich für Sie an, dass Ihre Bücher unter anderem auch in anderen, teils kleinen Städten wie Tübingen veröffentlicht werden?

Tratnik: Da ich aus einem eher kleineren Land komme, in der eine fast schon exotische Sprache gesprochen wird, glaube ich nicht, dass irgendein Ort oder eine Stadt klein ist. (lacht) Jeder Ort kann groß im Bereich von Kunst und Kultur sein, es kommt im Endeffekt auf die Menschen und deren Enthusiasmus an. Obwohl ich zugeben muss, dass die Arbeit schwieriger sein kann, wenn man außerhalb des Gewohnten arbeitet. Mein Buch wird in allen deutschsprachigen Ländern verkauft und ich konnte es schon in Wien vorstellen. Ende Oktober werde ich zudem die Literaturtage in Zofingen in der Schweiz besuchen.

Waren Sie schon einmal in Tübingen oder der Region? Wenn ja, wie hat es Ihnen gefallen?

Tratnik: Ich war zum diesjährigen Bücherfest das erste Mal in Tübingen. Davor war es eher eine Stadt, die ich vom Namen her kannte. Ich mag die Altstadt, den Fluss, das Schloss sowie sein Museum und habe es sehr genossen, einfach umherzulaufen. Es herrscht eine sehr entspannte und nette Atmosphäre in der Stadt und ich freue mich schon sehr wiederzukommen. (schmunzelt) Wer weiß, vielleicht sogar als Stadtschreiberin. (GEA)

Slowenien ist Gastland auf der Frankfurter Buchmesse

»Waben der Worte«: Unter diesem Motto will sich Slowenien als Gastland auf der Frankfurter Buchmesse präsentieren. »Wir freuen uns auf neue literarische Entdeckungen«, erklärte Jürgen Boos, Direktor der weltgrößten Bücherschau. »Die Literaturszene Sloweniens ist sehr lebendig und strahlt weit über die Landesgrenzen heraus.« Er hob auch die Lyrikszene hervor, die sich »hochaktuell mit den Diskursen unserer Zeit auseinandersetzt«. Slowenien sei mit seinen rund zwei Millionen Einwohnern vielleicht ein kleines Land, aber ein Muss für Kultur- und Literaturliebhaber, erklärten die Organisatoren. Zudem sei die kulturelle Szene aufgrund der geografischen Lage am Schnittpunkt zahlreicher Kulturen traditionell mehrsprachig. Nachhaltigkeit: Das ist eines der Leitmotive des Ehrengastes der Buchmesse. Der traditionelle Gastlandpavillon auf dem Messegelände soll komplett aus recyceltem oder wiederverwendbarem Material gebaut werden, wie die Organisatoren des Gastlandauftritts berichteten. Rund 70 Autorinnen und Autoren aus Slowenien werden zur Buchmesse reisen, sagte die Direktorin der slowenischen Buchagentur, Katja Stergar. (dpa)