STUTTGART. »Are you ready to rock?« – Der Schriftzug auf dem großen Vorhang verspricht nicht zu viel. Wenn die Scorpions sich die Ehre geben, ist eine Topshow garantiert. Auch im stolzen Alter von Ü 70 rocken sie die großen Bühnen mit einer schier unfassbaren Energie. Es wird nicht lange gefackelt: Der erste Song geht gleich in die Vollen: »Gas In The Tank« vom neuen Album »Rock Believer«, das im vergangenen Jahr erschienen ist. Die Herrschaften sprinten wie eh und je über die Bühne mit einer Begeisterung, die sich sehen lassen kann. Sie posieren für die Fotografinnen und Fotografen und lachen die Fans in den ersten Reihen an. Hardrock-Fans verschiedener Generationen stehen vereint und beweisen ihre Textsicherheit.
Wenn man mittlerweile Jahrzehnte auf der Bühne miteinander verbringt, ist man natürlich ein top eingespieltes Team. Die Gitarristen Rudolf Schenker und Matthias Jabs und Bassist Paweł Maçiwoda liefern sich Saitenduelle, mit einer entspannten Leichtigkeit. Die Stimme von Sänger Klaus Meine ist immer noch einzigartig, kraftvoll und durchdringend, bis in die hohen Tonlagen. »Make It Real«, »The Zoo« (beides Songs, die mittlerweile über 40 Jahre auf dem Buckel haben)– ein Brett jagt von Anfang an das andere.
Die Scorpions können aber nicht nur hart rocken, sie haben ein Gespür für große Melodien. »Seventh Sun« vom neuen Album reiht sich nahtlos in die Klassiker ein. Düster-mystisch und eingängig.
Eine Friedensbotschaft
Weitere Gänsehautmomente dürfen nicht fehlen. Zum romantischen »Send Me An Angel« fordert Klaus Meine die Fans auf, ihre Phones (die Zeit der Feuerzeuge ist vorbei) anzuknipsen – ein Lichtermeer an Glühwürmchen. Die Rockurgesteine scheuen sich nicht, ihren größten Hit »Wind of Change« in der Mitte des Konzerts zu platzieren. Die Scorpions positionieren sich eindeutig gegen den Krieg in der Ukraine. So haben sie eine Zeile aus ihrem Überhit abgeändert. Nun heißt es: »Now listen to my heart. It says Ukrainia. Waiting for the wind to change.« Der ganze Saal singt mit. Eine Botschaft von Frieden und Freiheit, die nie an Aktualität verlieren wird. Auf der Leinwand eine Mauer mit Stacheldrahtzaun. Ein Spalt tut sich auf, Friedenstauben fliegen Richtung Himmel. Dann: ein riesiges Peace-Zeichen in Gelb und Blau – den Farben der Ukraine.
Viele Worte verschwenden die Jungs nicht, die Musik spricht für sich. Klaus Meine drückt aber sein Bedauern darüber aus, dass die Schleyerhalle abgerissen werden soll. »Ich erinnere mich noch an unser erstes Konzert hier«, sagt er.
Grandiose Solo-Einlagen
Der heimliche Star des Abends ist Schlagzeuger Mikkey Dee. Er liefert ein pulsierend-treibendes minutenlanges Solo ab, mit einem Drive, der durch Mark und Bein geht. Hinter ihm auf der Leinwand eine Slotmaschine, aus der er buchstäblich die Dollarmünzen herausprügelt. Anschließend gibt es noch ein paar Songs mit eingängigen Mitsing-Refrains.
Mit »Big City Nights« gehen die Jungs von der Bühne. Die Zugaben lassen bei der tobenden Fan-Menge nicht lange auf sich warten. Noch etwas mit Gefühl – »Still Loving You« – und als krönender Abschluss natürlich »Rock You Like A Hurricane«. Da müsste jedes Fanherz zufrieden sein. (GEA)