NEW YORK. Seit fünf Jahren ist der Pop-Zauberer Prince nun tot – doch seine faszinierende Geschichte von Genie, Welterfolg und Größenwahn wird wohl nie ganz auserzählt sein. Das garantiert schon der »Tresor« im Studiokomplex Paisley Park bei Minneapolis: Der bereits zu Lebzeiten des exzentrischen US-Musikers legendäre Kellerraum »The Vault« soll zahllose unveröffentlichte Aufnahmen enthalten haben, als Prince starb.
Zwölf davon – ein 2010 komplett mit Band eingespieltes, dann ins Archiv verbanntes Album – haben die Prince-Nachlassverwalter nun herausgebracht. »Welcome 2 America« ist eine Offenbarung. Wie der mit nicht einmal 58 Jahren gestorbene Sänger, Songschreiber und Multiinstrumentalist auch hier wieder Soul, Rock, Funk-Jazz und Hip-Hop zu einer ambitionierten, extrem tanzbaren Mixtur verrührt, ist eine Meisterleistung.
Cooler Bass-Groove
Der Auftakt, der Titelsong »Welcome 2 America«, lässt sofort alle Schlampigkeiten dieses begnadeten Musikers vergessen: ein cooler Bass-Groove, Triangel, Fingerschnipsen, weibliche Soul-Chorstimmen, dann der unnachahmliche Sprechgesang von Prince Rogers Nelson, irgendwann kommt dessen typisch schnarrende Funk-Gitarre hinzu. Nicht nur musikalisch erinnert dieses Stück an sein wütendes »Sign O’ The Times« von 1987. Der zynische US-Kapitalismus, Ungleichheit, Rassismus, die unsozialen Medien – all das klingt an. Dieser Prince-Song trieft vor Sarkasmus zu einer Zeit, als die USA einen Präsidenten Donald Trump nicht einmal erahnten.
Auch später hört man Gesellschaftskritik in den musikalisch sehr abwechslungsreichen Liedern – und muss manchmal an die wichtigen Polit-Soul-Alben der 70er von Curtis Mayfield, Marvin Gaye oder Sly Stone denken. Aber selbst einen erotischen Falsett-Schmachtfetzen wie »When She Comes« hat der körperlich kleine Pop-Gigant wieder im Angebot. Bei den Groove-Granaten »Check The Record« und »Same Page, Different Book« dürfte kein Funk-Fan still sitzen bleiben.
Großartiger Gospel-Bombast
Etwas schwächer fallen die eher simplen Poprock-Stücke »Hot Summer« und »1010 (Rin Tin Tin)« aus. Das Soul-Asylum-Cover »Stand Up And B Strong« beginnt ebenfalls recht unscheinbar, kriegt aber die Kurve Richtung Gospel-Bombast – und wird doch noch großartig.
Nach dem Klavier/Gesang-Solo »Piano & A Microphone 1983«, dem ersten posthum veröffentlichten Studioalbum (2018), erschien »Originals« (2019) – eine fabelhafte Zusammenstellung der Originalversionen von 15 Songs, die Prince einst anderen Künstlern zur Verfügung gestellt hatte.
Aber keiner dieser nachträglichen Einblicke begeistert so wie »Welcome 2 America« aus den Tiefen eines Prince-Tresors, der sicher noch viel mehr spannendes Material enthält. Zu den Gründen für Nichtveröffentlichungen fertiger Studioalben sagte Nachlasskurator Michael Howe: »Prince hatte eine extrem klare künstlerische Vision. Wenn man das in Betracht zieht, dann passten die jeweils versenkten Songs wohl gerade nicht zu seinen derzeitigen Plänen.« (dpa)