REUTLINGEN. Benno Fürmanns Filmografie umfasst über 80 Werke, darunter Filme wie »Die Bubi-Scholz-Story«, in dem er sich die Titelrolle mit Götz George teilte, »Der Krieger und die Kaiserin« mit Franka Potente, »Sin Eater - Die Seele des Bösen« mit Heath Ledger, »Merry Christmas« mit Diane Kruger und »Jerichow« mit Nina Hoss. Nun hat der Schauspieler auch ein Buch geschrieben: »Unter Bäumen«, eine Auseinandersetzung mit sich und seiner Beziehung zur Natur. In Reutlingen kann man ihn nun, wie schon 2018, am 30. November als Sprecher im »Musikalisch-literarischen Salon« erleben.
GEA: Schauspieler, die schreiben, legen ja meistens einen Roman oder eine Autobiografie vor. Sie gehen mit »Unter Bäumen« einen anderen Weg. Was hat Sie zum Schreiben gebracht?
Benno Fürmann: Es sind hochanspruchsvolle Zeiten, in denen wir leben. Die meisten Menschen, die ich kenne, sind gerade latent überfordert. Und zugleich ist es so eine schöne Welt, in der wir leben. Ich glaube, es gibt gerade keine einfachen Antworten auf die Frage, wie wir das hinkriegen. Mit uns und – wenn wir das mal globalpolitisch betrachten – mit dem Planeten. Aber ich glaube, dass das Echo dieser Frage, wie wir das hinkriegen wollen, eine verbindende Kraft hat. Dass es Zeiten sind, die vielleicht nach einer neuen Verbindungskultur rufen. In uns selber, mit dem Planeten und interkulturell. Wie sehr bin ich verbunden mit der Welt und mit mir in der Tiefe? Die Frage habe ich mir gestellt, und aus dieser Frage heraus erkläre ich mir auch die Trennung zwischen uns und der Welt beziehungsweise die Verdinglichung der Natur, die wir sehen auf dem Planeten. Dass wir irgendwann als Menschen angefangen haben, uns ein bisschen der Natur zu entfremden, und dadurch auch ein bisschen weniger im Kontakt sind.
Welche Art von Kraft empfinden Sie, wenn Sie sich der Natur stellen? Mit Waldbaden und allem, was dazugehört.
Fürmann: Eine ursprüngliche Kraft, denn letztendlich sind wir Natur. Wir sind ja nicht auf den Planeten gesetzt worden, sondern wir sind ein Haufen Rohstoffe, befeuert von etwas Größerem, mit dem Funken der Seele. Diese Nordung, dieses Zur-Ruhe-Kommen in der Natur ist etwas, das mir immer wichtiger geworden ist. Ich habe noch nie von einem Menschen gehört, der gestresster aus dem Wald rausgekommen ist, als er reingegangen ist.
Es heißt, dass Sie einmal im Jahr eine Schweigewoche verbringen. Wie muss man sich das vorstellen?
Fürmann: Einfach ausgedrückt, heißt eine Woche ins Schweigen zu gehen, aufzuhören, in den Eimer zu gießen. Und nicht in den Eimer zu gießen kann bedeuten – oder bedeutet es für mich –, sich keine Nachrichten, keine Literatur zuzuführen. Das bedeutet, keine Gespräche zu führen und Blickkontakt zu vermeiden. Denn Blicke sind natürlich auch gefüllt mit Informationen. Braucht sie etwas, geht es ihr gut? Schaut er mich gerade böse oder wohlwollend an? Und so weiter. Insofern ist eine Woche des Schweigens und der Meditation eine reiche, tiefe Zeit des Tauchens in sich selber, in der man keine zusätzlichen Informationen konsumiert.
»Du brauchst nur ein Meditationskissen, deine Zahnbürste und eine Matratze«
Wie schaffen Sie es, vom Ort her, dass Sie dann nicht doch von außen kontaktiert werden in dieser Zeit?
Fürmann: Indem ich mein Handy auslasse, meiner Tochter für Notfälle die Nummer von dem Ort gebe und ansonsten sehr dankbar bin, dass es mir möglich ist, an einem Ruheort zu sein. Das ist ja ein totaler Luxus. In Frieden. Für mich und die anderen Teilnehmer wird gekocht, man hat ein warmes Bett, in das man abends kriechen kann für ein paar Stunden, um dann in den frühen Morgenstunden weiter zu meditieren. Das ist ja nicht selbstverständlich, wenn wir uns die Weltlage ansehen. Insofern hat das auch immer viel mit Demut und Dankbarkeit zu tun. Ich habe das das erste Mal gemacht mit Mitte dreißig in Indien. Später auch in Deutschland und Holland. Es ist die Frage, wie groß die Gruppe ist. Und dann brauchst du nur einen Ort, an dem du zur Ruhe kommen kannst. Ein Meditationskissen, deine Zahnbürste und eine Matratze – das war’s. Und natürlich was zu essen.
Sie haben Ihren Beruf in New York erlernt. War die Lee-Strasberg-Schauspielschule für Sie die richtige Wahl?
Fürmann: Da habe ich große Fragezeichen. Letztendlich habe ich so viele unterschiedliche Schauspiel-Stile in den Jahren danach probiert, durch Workshops, durch Privatstunden. Da bin ich immer wieder gerne nach London, nach New York, nach Los Angeles geflogen und hab’ da mit unterschiedlichen Leuten studiert. Irgendwann wurde das Angebot in Berlin auch breiter, und der Schauspielkoffer, dessen ich mich jetzt bediene, ist letztendlich eine Melange, ein Mix aus den Einflüssen, die für mich funktioniert haben. Und da ist relativ wenig Strasberg dabei. Weil Strasberg sehr über die Sinne geht, über die persönliche Erinnerung, ich aber daran glaube, dass bei mir die Fantasie manchmal stimulierender wirken kann, als persönliche Miseren für die Arbeit vor der Kamera zu nutzen, mich zum hundertsten Mal an eigene Erlebnisse zu erinnern. Der direkte Zugang ist manchmal versperrter als der über Bande.
»Ich hätte heute mehr Lust als damals, einen Superhero zu spielen«
Es heißt, Sie haben später einmal Bryan Singer einen Korb gegeben, der Sie für einen der X-Men-Filme haben wollte. Stimmt das, und was steckte dahinter?
Fürmann: Zu dem Zeitpunkt war unser Kind auf dem Weg. Die Mutter meiner Tochter, meine Ex-Frau, wollte da zur Geburtszeit nicht alleine in einem Krankenhaus in Vancouver sein, während ich am Filmset rumgesprungen wäre. Was ich verstehen konnte. Außerdem hat »X-Men« mich zu der Zeit nicht wirklich interessiert. Diese Art und Weise der Filme, das war damals nicht das, wozu es mich künstlerisch hinzog. Mittlerweile bin ich da ein bisschen freier und experimentierfreudiger geworden als in meinen Dreißigern. Ich hätte heute mehr Lust als damals, einen Superhero zu spielen, der ein Haus hochspringen kann oder dessen Arme kurz mal 20 Meter lang werden können (lacht). Damals fand ich das albern.
Mussten Sie, als die Anfrage für »Babylon Berlin« kam, wo sie den Oberst a. D. Günther Wendt, Chef der Politischen Polizei, spielen, auch überlegen?
Fürmann: Das war eine ganz klare Sache. Die Option, mit diesen drei fantastischen Regisseuren zu arbeiten – Tom Tykwer, Achim von Borries und Hendrik Handloegten –, an einer extrem anspruchsvollen Produktion, basierend auf den Büchern von Volker Kutscher, da musste ich nicht großartig überlegen. Da bin ich sehr gerne dabei. Auch, weil das für mich ein Novum ist – immer wieder an ein Filmset zurückzukehren für eine neue Staffel, und eine Figur über Jahre zu spielen. Das finde ich herausfordernd und hochspannend.
Geht es weiter für Sie in der Rolle?
Fürmann: Ich denke, ja. Eine Staffel sollte da noch kommen.
Werden Sie heute noch auf den Gestiefelten Kater angesprochen, dem Sie in »Shrek« ihre Stimme geliehen haben?
Fürmann: Letztens sehr zur Freude einer versammelten Mannschaft auf einer Küchenparty. Da habe ich eine Kostprobe des Gestiefelten Katers gegeben. Ich glaube in Bezug auf den Sympathiefaktor habe ich durch den Gestiefelten Kater das wieder reingeholt, was ich mir durch »Babylon Berlin« »kaputtgehauen« hab’ (lacht). Wendt ist ja kein klassischer Sympathieträger, der Gestiefelte Kater dagegen einfach eine irre populäre Figur. Damit hast du die Herzen schnell, wenn du deine Stimme eine Oktave tiefer rutschen, ein bisschen rauer werden lässt und miaust.
Zur Person
Benno Fürmann, geboren 1972 in West-Berlin, ist Schauspieler, Hörbuch- und Synchronsprecher. Er spielte in Filmen wie »Der Eisbär«, »Anatomie«, »Die Nibelungen«, »Gespenster«, »Nordwand«, »Hinter Kaifeck« und »Der blinde Fleck« und wurde unter anderem mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. Zusammen mit Philipp Hedemann hat er 2023 das Buch »Unter Bäumen. Die Natur, mein Leben und der ganze Rest« veröffentlicht (336 Seiten, 22 Euro, Verlag Gräfe und Unzer, München). (GEA)
Vor fünf Jahren haben Sie im »Musikalisch-literarischen Salon« in Reutlingen Texte von Kurt Tucholsky vorgetragen. Haben Sie eines seiner Bücher seitdem wieder in die Hand genommen?
Fürmann: Nein. Tucholsky habe ich viel als Teenager und mit Anfang zwanzig gelesen. Aber Tucholsky ist lange nicht mehr in meiner Hand gewesen. Doch jetzt ist wieder einer seiner Texte dabei. Immer in Reutlingen.
Glauben Sie an Wunder, wie es der Titel des Abends, »Vorübungen für Wunder«, verheißt? Wobei der Titel ja nicht von Ihnen ist.
Fürmann: Natürlich glaube ich an Wunder, an den Zauber des Lebens. Und da sind wir wieder bei der Natur. Wir können forschen, wie wir wollen, aber den Zauber, das Mysterium des Lebens, was Bewusstsein ist, haben wir immer noch nicht ergründet. Ich glaube, die tiefste Wahrheit werden wir auch nie erforschen können. Die ist jenseits der Worte und jenseits des Intellekts. Da ist »Wunder« eines der Worte, die ich ganz passend finde. (GEA)