REUTLINGEN. Wenn Jan Démoulin performe, konzentriere er sich auf die Kräfte innerhalb der bewegenden Objekte und die dabei entstehenden Geräusche. »Zudem versucht er, die Kräfte der bewegenden Objekte auf die zweidimensionale Bildebene zu übertragen«, erläuterte Ingrid Haap, die die Ausstellungen in der Galerie im Gewölbe in der Buchhandlung Osiander in Reutlingen kuratiert. Da war das, was der Reutlinger Künstler zum Auftakt seiner Ausstellung »Performance Pictures« am Donnerstagabend in einer Performance zeigte, bereits beendet. Zumindest vorerst. Denn während die Ausstellung läuft - bis zum 16. November -, wird er immer samstags zwischen 11 und 11.30 Uhr sein dabei begonnenes Werk in performativen Akten weiter gestalten. Bis am Ende, bei der Finissage am 16. November um 18 Uhr, der letzte Stand des Werks und eine Dokumentation des Arbeitsprozesses auf Video gezeigt werden.
»Performancemaschine IV« nennt Jan Démoulin diese Arbeit. Was das Publikum zum Auftakt sah, war eine 2,10 auf 6 Meter lange, auf dem Boden ausgerollte weiße Leinwand, auf der Démoulin immer wieder neue Gegenstände platzierte und Kräfte auf sie wirken ließ, die Spuren hinterließen. Eine Eisenstange wurde da zu einem riesigen Zirkel, den er - mit sich als Zentrum - über die Leinwand führte. Kohle wurde mittels eines gewaltigen Stößels zerkleinert, ein Farbauftrag mit einem handelsüblichen Abflussstampfer erweitert, erst mit Wurftechnik, dann unter Ausnutzung der Stoß- und Saugfunktion. Auch die Vibrationen, die von einem ausgedienten Elektromotor und zwei Zentrifugen ausgingen und beispielsweise auf Eisenkugeln wirkten, sowie ein zwischenzeitlich unter die Leinwand geschobenes Trampolin oder eine auf der Leinwand Pirouetten drehende Tonne bezog der Künstler mit ein. Sich selbst immer wieder kurz aus dem Spiel nehmend und die Dinge betrachtend. Um dann neue Impulse zu setzen.
Die im Gewölbe, abgesehen von diesem Aktionsfeld, ausgestellten Werke sind ebenfalls Ergebnisse von Performances oder zeugen von Räumen, die Démoulin unter vollem Körpereinsatz als »Experimentierfeld und Forschungslabor« genutzt hat, wie Vernissage-Redner Clemens Ottnad es ausdrückte. Darunter sind übermalte Videoprints - sozusagen komprimierte Aktionskunst auf zweidimensionalen Bildträgern -, teils erweitert zu Material- und Textcollagen. »Sich mehrfach überlagernde Silhouettenlinien suggerieren die dynamischen Abläufe, farbige Richtungspfeile und spontan eingekritzelte Linienschwünge zitieren die Rotation, die Vibration, die Unwucht, die entsteht«, sagte Ottnad.
Ausstellungsinfo
Die Ausstellung »Performance Pictures« ist bis zum 16. November in der Galerie im Gewölbe der Buchhandlung Osiander, Wilhelmstraße 64 in Reutlingen, zu sehen. Geöffnet ist Montag bis Samstag von 9.30 Uhr bis 19 Uhr. Den weiteren Entstehungsprozess von Jan Démoulins Arbeit »Performancemaschine IV« kann man jeden Samstag von 11 bis 11.30 Uhr mitverfolgen. Bei der Finissage am 16. November um 18 Uhr werden der letzte Stand des Werks und eine Dokumentation des Arbeitsprozesses auf Video gezeigt.
Ein beeindruckendes Großformat kommt zwar in gedeckten Farben daher, entfaltet mit einer Armada von Kringeln und kreisrunden Formen aber eine ungeheure Dynamik. Die Tiefenwirkung des Bilds rührt daher, dass Démoulin hier mit mehreren Schichten gearbeitet hat. Tusche, Ölfarbe, Acrylfarben und Leinölfirnis hat er ihm aufgedrückt - mit einem Abflussstampfer. Er habe dabei Phänomene wie Sog und Druck untersucht, sagt er selbst. Ein anderes Bild trägt die Spuren eines Medizinballs, den der Künstler immer wieder aus 14 Metern Höhe hat herabfallen lassen. Bei wieder einem anderen hat er mit einem Kinderhüpfball den Staub verrottender Bäume auf den Bildträger gebannt. (GEA)