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Angehende Profis: Gustav Mahler Jugendorchester begeistert in Salzburg

Schönberg zwischen Beethoven, Parsifal mit Nono: Ingo Metzmacher und das Gustav Mahler Jugendorchester sorgen bei den Salzburger Festspielen für Begeisterung.

Ingo Metzmacher dirigierte in Salzburg das Gustav Mahler Jugendorchester.
Ingo Metzmacher dirigierte in Salzburg das Gustav Mahler Jugendorchester. Foto: Marco Borrelli
Ingo Metzmacher dirigierte in Salzburg das Gustav Mahler Jugendorchester.
Foto: Marco Borrelli

SALZBURG. Was für ein herrlicher Klangkörper, bestehend aus gut 100 hervorragend ausgebildeten, begeisterungsfähigen jungen Musikerinnen und Musikern! Zu Recht zählt das von Claudio Abbado ins Leben gerufene Nachwuchsensemble zu den weltweit führenden Jugendorchestern, was nicht zuletzt am strengen Auswahlverfahren liegt, dem sich jährlich über 2.500 angehende Profis aus zahlreichen europäischen Städten unterziehen.

Energiegeladen und hoch konzentriert sitzen sie vor ihren Notenpulten, und zwar vorne, auf der Stuhlkante, was stets ein deutlicher Indikator für die Leistungsbereitschaft in einem Orchester ist. Und sie brennen darauf, sich von einem Dirigenten fordern zu lassen, der sie zu einer exzessiven Darstellung bedeutender musikalischer Werke führt und ihnen zugleich Einsichten in kulturgeschichtliche Zusammenhänge vermittelt.

Trauermusik auf einen Architekten

Jetzt war es Ingo Metzmacher, der sie in einem Salzburger Festspielkonzert zu solch einem künstlerischen Höhenflug hatte abheben lassen, mit einer von intellektueller Tiefenschärfe gekennzeichneten Programmdramaturgie. Vor der Pause umrahmten Beethovens Coriolan- und Leonore-III-Ouvertüre Schönbergs 5 Orchesterstücke op. 16, anschließend stand Luigi Nonos Trauermusik auf den Architekten Carlo Scarpa zwischen Vorspiel und Karfreitagszauber aus Wagners »Parsifal«. Wobei die jeweils drei Orchesterwerke nahtlos ineinander übergingen. Und auf diese Weise sinnlich erfahrbar machten, wie nah in Ästhetik und Weltanschauung deren Verfasser standen.

Beethoven wurzelt in der Tradition strenger Kirchenmusik. Trotzdem galt er seinen Zeitgenossen als Umstürzler. Weil er ganze Gattungen und Formgesetze sprengte. Dissonanzen frei in den Raum stellte. Mit seinen schroffen Bläser-Akzenten die Zuhörer verschreckte.

Konservativ und revolutionär

Für den vor 150 Jahren in Wien zur Welt gekommenen Arnold Schönberg gilt Vergleichbares. Sein Biograf Willi Reich etikettierte ihn zutreffend als »konservativen Revolutionär«. Das könnte genauso über Beethoven gesagt werden. Und so zeigte Metzmacher mit dem Mahler-Jugendorchester in Salzburg einen Klangweg auf, der direkt von den wuchtigen Akkorden der »Coriolan«-Ouvertüre in den finalen Vernichtungsschlag des fünften Schönberg-Orchesterstücks führte.

Gleichwohl überwiegen in diesem Werk die zarten, subtilen Farbschichtungen, die Metzmacher seinem Ensemble entlockte. Ungeachtet der expressionistisch großorchestralen Besetzung blieb das Klangbild duftig und transparent. Minutiös wurden die Strukturen herausgearbeitet; keine noch so kleine Motivzelle war dem Zufall überlassen. Wie auch bei den kontrastfreudig und voller Spannung musizierten Beethoven-Ouvertüren. So erschlossen sich die Berührungspunkte zwischen Beethoven und Schönberg. Versteht man »klassisch« als Prädikat für die vollendete Balance von Form und Inhalt, sind eben beide »Wiener Klassiker«.

Mensch-Natur-Verbundenheit

Bei Wagner und Nono ergibt sich die Verbindungslinie aus der Weltanschauung. Beide haderten mit gesellschaftspolitischen Zuständen, beide visionierten eine auch mittels der Kunst zu erreichende gerechte Welt. Dass dies nur im Einklang des Menschen mit der Natur möglich sei, war für Wagner unabdingbar und fand im »Karfreitagszauber« des »Parsifal« die künstlerisch sublimierteste Form in seinem Schaffen. Dessen mitunter geradezu sphärischen Klänge kennzeichnen auch Nonos Trauermusik für Carlo Scarpa, einen der prononciertesten italienischen Vertreter der organischen Architektur, die ebenfalls auf der Mensch-Natur-Verbundenheit gründet.

Nahtlos schmiegte sie sich mit ihrem filigranen Beginn, wunderbar ausmusiziert vom Gustav Mahler Jugendorchester mit seinen hervorragenden Bläsersolisten, an den ätherischen Schluss des »Parsifal«-Vorspiels an, dessen Farben herrlich schimmerten und changierten. Ein Glücksfall für die jungen Musikerinnen und Musiker, am Anfang ihrer Laufbahn solch eine Wagner-Erfahrung gemacht haben zu können! (GEA)