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Aktuell Ausstellung

Abgestürzter Superman

Werke von 31 Künstlerinnen zeigt die Schau »Der König ist tot, lang lebe die Königin« im Museum Frieder Burda

Werk ohne Titel aus dem Jahr 2011 von Patricia Waller.  FOTO: KAZAKOV
Werk ohne Titel aus dem Jahr 2011 von Patricia Waller. FOTO: KAZAKOV
Werk ohne Titel aus dem Jahr 2011 von Patricia Waller. FOTO: KAZAKOV

BADEN-BADEN. Auch Supermännern passieren Malheurs. So ist im Museum Frieder Burda in Baden-Baden ein Supermann, nein: Superman höchstpersönlich verunglückt und unsanft auf dem Boden der physikalischen Tatsachen gelandet. Was eigentlich nicht ganz passend formuliert ist, steckt er doch hoch über unseren Köpfen bis zur Brust in der Wand fest; aus der ragt der Körper wie im Flug erstarrt als Stumpf hervor. Die Wand hat Schaden genommen beim Einschlag des dynamischen Luftreisenden, sie weist Risse auf, tiefrot rinnt Blut von Supermans Body an ihr herab.

Man könnte Patricia Wallers Arbeit durchaus als emblematisch für die Schau in Baden-Baden bezeichnen, gleichzeitig auch für eine aktuelle Strömung im Kunstbereich. Die Kunst von Männern und Frauen wird neu bewertet, Ausstellungen, in denen ausschließlich Frauenkunst geboten wird, haben Konjunktur. »Der König ist tot, lang lebe die Königin« – in England übrigens, wo dieser Spruch in Gebrauch ist, war es zuletzt ja genau umgekehrt.

Marmorner Dobermann

Jedenfalls versammelt die Schau unter diesem Titel Werke von 31 Künstlerinnen. 31 – exakt so viele Künstlerinnen, wie in einer legendären Ausstellung 1943 in der New Yorker Gallery Art of this Century vertreten waren. Die Schau »Exhibition by 31 Women« in der Galerie der bedeutenden Kunstsammlerin und Mäzenin Peggy Guggenheim fand in einer von Männern dominierten Kunstszene lediglich ein unisono herablassendes Echo – was ihre seinerzeitige Relevanz und Gebotenheit nur noch unterstreicht. Der Kritiker des Time Magazine tat die Ausstellung mit dem Argument ab, dass es bis dahin ja noch nie eine »erstklassige Künstlerin« gegeben habe. Käthe Kollwitz und Paula Modersohn-Becker, Georgia O’Keeffe oder Frida Kahlo – Namen wie die waren dem Mann offenbar unbekannt.

Kurator der Ausstellung ist Udo Kittelmann. Der künstlerische Leiter des Museums betrachtet die Schau als willkommene Gelegenheit, seine eigene langjährige kuratorische Tätigkeit auch einmal »selbstkritisch Revue passieren zu lassen«. Ausgestellt sind Werke so renommierter Künstlerinnen wie Rosemarie Trockel und Elaine Sturtevant, aber auch weniger bekannter junger Künstlerinnen. Kittelmanns Bestreben, die präsentierten Werke zu einer »vielschichtigen und vielstimmigen narrativen Gesamtinszenierung« zu vereinen, kann jedenfalls als geglückt bezeichnet werden.

So kommuniziert Julia Schers mitten im Ausstellungsraum sitzender marmorner Dobermann mit Kerstin Brätschs gigantischem Digitalprint, der nichts zeigt außer lauter Dinos. Gleichzeitig ist die Skulptur zu einem Gemälde von Almut Heise in Beziehung gesetzt. Im Bild sehen wir die Künstlerin selbst neben einer weiteren Frauenfigur nackt in Rückenansicht – platziert zwischen einer antiken Männerstatue mit Hundekopf und einer hybriden Mischung aus Trojanischem Pferd und Sphinx. Kittelmann nutzt die vielfältigen räumlichen Gegebenheiten, etwa indem er mit Aufklebern der aus Pakistan stammenden Ceil Floyer auch die Verglasung bespielt. Schon vor dem Museum öffnet sich das begehbare Kleid von Leiko Ikemuras riesiger Häsin zu einem zeltartigen Sternenmantel.

Neben einer so zarten Schöpfung wie Leda Bourgognes androgynem Harlekin begegnet man auf dem abwechslungsreichen Parcours auch spektakulären Werken wie Leila Hekmats über vier Meter hohen digitalen Collagen auf Seide und Viskose-Samt. Roey Victoria Heifetz’ eindrücklichem Selbstporträt – im Fünferpack, in Grafit und Tinte auf einem riesigen Blatt Papier – stehen so exzentrische Arbeiten wie Conny Maiers Malerei mit einer Frau zur Seite, die aus ihren acht Brüsten Vasen tränkt.

Kritik an Zensur

Politische Kunst ist gut vertreten. Hiba Alansari prangert in ihrer Installation »To Forget« die patriarchalische Verfügungsgewalt des Mannes über die Frau in moslemischen Milieus und Gesellschaften an – ebenso Sara Nabil in ihrer fotografischen Serie »Power«. Monica Bonvicini ironisiert in ihrer Rauminstallation europäisches Machotum, das sich noch im Möbeldesign artikuliert. Die aus Kuba stammende und in Cambridge lebende Tania Bruguera wiederum kritisiert die Zensur in ihrem Herkunftsland. Ein QR-Code bringt eine Aufnahme aufs Smartphone des Besuchers, das die Künstlerin mit zugeklebtem Mund und emporgereckter Faust zeigt.

In ihren »Kitchen Pieces« überlässt Karin Sander an die Wand appliziertes Obst und Gemüse dem Prozess des Verwelkens und Vergehens. Die Britin Marianna Simnet protestiert in ihrem HD-Video »The Needles and the Larynx« gegen den Schönheits- und Selbstoptimierungswahn unserer Zeit. Während Asta Gröting in ihrem minimalinvasiven Eingriff in die Museumswand mit Kabel und Zündspule hörbar »Einen Funken Leidenschaft« entfacht – so vielfältig, so divers ist die Kunst von Frauen in der Gegenwart. (GEA)

 

AUSSTELLUNGSINFO

Die Ausstellung »Der König ist tot, lang lebe die Königin« ist bis zum 8. Oktober im Museum Frieder Burda, Lichtentaler Allee 8b in Baden-Baden, zu sehen. Geöffnet ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr. (GEA) www.museum-frieder-burda.de