TÜBINGEN. Seit mittlerweile 30 Jahren unterstützt der Förderverein Tübinger Projekt »die Finanzierung und Zukunftssicherung des ambulanten Palliativdienstes«, wie Peter Roth als Vorsitzender des Vereins selbst betont. »Auch heute noch begegnen uns in ganzen Landkreis Tübingen immer noch Menschen, die nichts über das Tübinger Projekt wissen«, sagte Dr. Christiane Paul als leitende Ärztin des ambulanten Palliativdienstes. »Wenn ich das früher gewusst hätte«, seien immer mal wieder Äußerungen von Schwerkranken oder deren Angehörigen.
Seit zehn Jahren ist Christiane Paul beim ambulanten Palliativdienst. Sie folgte auf Dr. Thomas Schlunk, den Mitinitiator und langjährigen Leiter des Dienstes. Über die Krankenkassen finanziert wurde die Hilfe von schwerstkranken Patientinnen und Patienten aber erst ab 2007. »Die bundesweite Finanzierung über die Kassen wurde maßgeblich aufgrund der Erfahrungen mit dem Tübinger Projekt erreicht«, sagte Schlunk beim Pressegespräch zum 30-jährigen Bestehen des Fördervereins. Der unterstützende Verein wurde 1994 gegründet und hatte von Anfang an das Ziel, eine möglichst gute, menschliche und ganzheitliche Versorgung von schwerstkranken Menschen in ihrem Zuhause zu gewährleisten.
Ambulanter Palliativdienst ist wichtig
Im vergangenen Jahr hat das Tübinger Projekt insgesamt 516 Patientinnen und Patienten im Alter von 29 bis 101 Jahre betreut, wie Paul ausführte. Insgesamt 22 Personen kümmern sich vor allem in Teilzeit um die Schwerkranken, »alle arbeiten nur anteilig zwischen 10 und 60 Prozent in der Palliativpflege«, erläuterte Christiane Paul. Sechs Ärztinnen und Ärzte kümmern sich um die Schwerstkranken zuhause. 2023 haben die Kräfte 4270 Hausbesuche gemacht und dabei mehr als 100 000 Kilometer zurückgelegt. »Über 60 Prozent der Patienten konnten gemäß ihrem Wunsch zuhause sterben – was die Bedeutung des ambulanten Palliativdienstes unterstreicht«, betonte die Ärztin.
Veranstaltungen zum 30jährigen Bestehen des Fördervereins Tübinger Projekt
Der 30. Geburtstag des Fördervereins Tübinger Projekt wird nach den Worten des Vorsitzenden Peter Roth mit einer Vielzahl an Veranstaltungen gefeiert. Zwei Filme gehören dazu, eine Lesung, ein Konzert mit dem Namen "Musikalische Exsequien von Heinrich Schütz und am Freitag, 22. März, die erste Veranstaltung um 19.30 Uhr ein Abend mit Dietlinde Elsässer im Gemeindehaus der Ev. Eberhardsgemeinde, in der Tübinger Eugenstraße unter dem Titel "Vom Leben und Sterben, von Abschied und Neubeginn". (GEA)
Durch den Förderverein könne der Palliativdienst einen Mehrwert an Betreuung leisten – laut Paul mehr als die Krankenkasse bezahlt. Durch das immer mehr zunehmende »höher, schneller, weiter« erhalte »die Patientenbetreuung eine zunehmende Absurdität«, wie die Medizinerin betonte. »Wir beschleunigen nicht, sind nicht effizienzgetriggert, lassen den Schwerkranken ihre Zeit, die sie brauchen.« Die Betreuung der Patienten dauere oft wenige Wochen – könne aber auch bis zu 2,5 Jahre gehen. Dabei sei jeder Patient anders, der Aufwand der Notfälle sei vorab kaum einschätzbar. »Wir brauchen da viel Flexibilität«, sagte Christiane Paul.
Der Wunsch zuhause zu sterben
Ein Vorteil des ambulanten Palliativdienstes: Anders als die Notärzte »haben wir alle Patientenakten elektronisch hinterlegt und alle Notfallmedikationen dabei«, so die Ärztin. Zudem kennen die Pflegekräfte des Dienstes die Angehörigen, die Familien. Der Wunsch zuhause zu sterben sei nachvollziehbar – aus den unterschiedlichsten Gründen »aber nicht immer in guter Weise möglich«. Und es gehe bei der Betreuung der Schwerkranken oder deren Angehöriger immer auch um Empathie, hob Schlunk hervor.
Der Förderverein Tübinger Projekt sei der »Wegweiser für die bundesweite spezialisierte ambulante Palliativversorgung« (SAPV) gewesen, sagte Roth. Während anfangs das Tübinger Projekt rein über Spenden finanziert wurde, gehen nach der Kassenanerkennung die Spendengelder rein an das Personal, die jene Schwerkranken betreuen. »Den Großteil der Geldbeträge erhalten wir durch Traueranzeigen, wenn es darin heißt: anstatt Blumen bitte Spenden an den Förderverein Tübinger Projekt«, sagte Peter Roth.
Durch die Fortschritte der Medizin sei der Palliativdienst immer noch mehr gefordert, betonte Paul. Denn: Krankheiten wie Mukoviszidose und andere hätten vor wenigen Jahren noch sehr viel früher zum Tod geführt. Jetzt werden die Patienten älter – was dem Palliativdienst immer mehr zu Betreuende zuführe, der Patientenkreis wachse ständig weiter. (GEA)