DETTINGEN/ROTTENBURG. Der Weg zum Paradies führt durch ein Neubaugebiet. Durch die Randlagen von Dettingen/Rottenburg schlängelt sich der Bus mit fast 50 GEA-Lesern dem Rammert-Höhenzug entgegen. An einem schlichten Natursteinportal empfängt die Schar ein freundlicher älterer Herr, der sich nicht etwa als Petrus vorstellt, sondern als Professor Roland Doschka. Das reale Paradies ist in Privatbesitz, nur sein Schöpfer und seine Familie dürfen hier dauerhaft weilen.
Dem Gipfel entgegen
Weil der einstige Romanistik-Professor, Kunst-Kurator und Gartenfanatiker Doschka jedoch so freundlich ist wie Petrus selbst, teilt er sein Paradies gerne auf Zeit. »85 Führungen sind es dieses Jahr«, rechnet der 82-Jährige vor. »Fünf habe ich schon, achtzig kommen noch.« Die Tour mit den GEA-Lesern ist seine dritte an diesem Tag. Man merkt ihm die Anstrengung an. Doch je tiefer er mit der Gruppe in sein Paradies eindringt, desto mehr blüht er auf. Am Gipfelpunkt angekommen, auf dem Balkon des luftig-glasreichen Hauses mit Ausblick bis zum Schwarzwald, hält er voller Elan den neuesten Bildband hoch und zeigt, welche Blütenpracht das Jahr noch bereithalten wird.
Der Weg zum Gipfel ist von subtiler Dramaturgie. Erst empfangen verwunschene kleine Nischen die Gäste. »Räume« nennt Doschka sie, mit Pflanzen als Wänden und dem Himmel als Decke. Im »Monet-Raum« umfängt lauschiges Grün einen Teich, der nicht nur auf die berühmten Seerosenbilder des Impressionisten Claude Monet anspielt, sondern von oben betrachtet auch das Auge des Künstlers nachbildet. Ein märchenhafter Pfad führt weiter nach oben, vorbei an einem Blumenfeld, das sich für ein paar Wochen im Jahr in die Trikolore verwandelt, mit rotem Klatschmohn, weißer Iris, blauem Zierknoblauch.
Erotisches im Gehölz
Weitere Nischen folgen, pflanzliche Raritäten in Fülle, ein Blütenrausch, dazu ein Strom von Anekdoten des Hausherrn. »Da fällt mir eine tolle Geschichte ein!«, heißt es immer wieder. Und: »Warten Sie, die Pointe kommt erst noch!«
Man erfährt, dass die Birken hier aus dem Himalaya kommen. Und dass die grazile Frauenfigur im Gehölz eine versehentliche Nachbildung von Doschkas ehemaliger Assistentin ist. Man erfährt, wie man einen englischen Rasen hinbekommt (im Winter eine Schicht aus drei Zentimetern Quarzsand und Humus ausbringen). Warum sein englischer Rasen unkrautfrei ist (»Unkraut wächst auf Magerwiesen, der Humus macht es zu einer Fettwiese!«). Und wie er den Zünsler von den Buchsbäumen abhält (»Mit dem Saft der Neempflanze, aber den müssen Sie schon prophylaktisch spritzen.«)
Kubismus aus Hainbuchen
Je höher man kommt, desto mehr weiten sich die Räume, werden die lauschigen Nischen zu parkartigen Lichtungen. Blickachsen öffnen sich. Mit Tulpen, die als pointillistische Farbfelder zu Tale wogen. Mit geometrisch geschnittenen Hainbuchen, die kubistische Akzente setzen. Die Kunst ist bei Doschka auch im Garten nie weg.
»Das hier ist mein Bordeaux-Platz«, sagt Doschka und zeigt auf ein Sofa auf dem Balkon mit Schwarzwaldblick. Hier im Garten sei sogar schon ein deutsch-französischer Film gedreht worden: die Arte-Produktion »Ein kleiner Schnitt«. Die junge Hauptdarstellerin Josephine Thiesen rühmt Doschka als »die neue Romy Schneider«. Dass ihre Lippen nicht künstlich aufgespritzt sind, habe er persönlich überprüft, behauptet er lachend.
Die Teilnehmer fühlen sich wie im Märchen. »Hier könnte man alle halbe Stunde woanders sitzen«, seufzt eine Teilnehmerin. »Ein großes Gesamtkunstwerk«, lobt Conni Ortlieb aus Walddorfhäslach. Und Martina Kolb aus Wannweil stellt fest: »Dieser Garten ist etwas für die Seele!« Ein Paradies eben. Für die GEA-Leser leider nur auf Zeit. (GEA)