TÜBINGEN. Sophia Kramer ist 29 Jahre alt und studiert in Tübingen Englisch und Geschichte auf Lehramt. Sie wohnt in einer Wohnung bei Herrenberg und arbeitet nebenbei. Ihr Studium konnte sie nicht allein finanzieren, daher nutzte sie anfangs ihren Anspruch auf Bafög. Als ihre Berechtigung dafür abgelaufen war, beschloss sie, bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) einen Kredit für 54.600 Euro aufzunehmen. Eine Entscheidung, die sie und zahlreiche andere Studenten später bereuen würden. Denn anfänglich betrug der Zins null Prozent, dann plötzlich 5,9 und ein halbes Jahr später 7,55 Prozent. Hätte sie das gewusst, hätte sie den Kredit nicht aufgenommen. »Es war nicht abzusehen, dass der Zinssatz so schlagartig und stetig wachsen würde«, bedauert Kramer.
Die Studentin entschied sich für den KfW-Höchstbetrag im fünfstelligen Bereich, weil sie auf Lehramt studiert und somit nicht nur einen Bachelor-, sondern auch einen Masterstudiengang absolvieren muss, um ins Referendariat gehen zu können. »Ich kann ja nicht einfach bei dem Berufswunsch bleiben und nach dem Bachelor aufhören.« Ein weiterer Grund, der sie dazu bewegte, einen Studienkredit aufzunehmen: »Ich komme nicht aus der Gegend und bin auf mich allein angewiesen.« Allein ihre Miete beträgt 520 Euro.
Monatliche Auszahlung von 580 statt 660 Euro
Die monatliche Auszahlung des Kreditinstituts an die Studentin belief sich anfangs auf 660 Euro. Doch nun ist sie aufgrund der Zinssatzwende auf 580 Euro gesunken. In Zeiten, in denen sie Bafög bekam, habe sie 200 Euro mehr im Monat zur Verfügung gehabt, verrät sie. »Das ist heftig, vor allem in Zeiten, in denen alles teurer wird«, regt sich Kramer auf. Die 29-Jährige ist mit der jetzigen Situation überfordert: »Ich kann nicht mehr machen, als das, was ich bereits tue.« Und auch ihr Sozialleben leide unter ihrer Verschuldung. »Mit Freunden ausgehen, einen Kaffee trinken gehen und den Kopf frei bekommen, das ist nicht mehr drin.«
Mit ihrem Job ist sie bisher »einigermaßen durchgekommen, jetzt aber überhaupt nicht mehr«, berichtet sie. Dennoch versucht sie, stark zu bleiben. »Aushalten und weitermachen«, ist ihr Motto. Doch das ist einfacher gesagt als getan, findet sie. Jeden Morgen steht die 29-Jährige um 4.30 Uhr auf und ist um 5 aus dem Haus, um arbeiten zu gehen. Sie verdient 550 Euro. Die Schulden haben sich dennoch angehäuft. Hinzu kommt nämlich, dass Kramer auch noch ihr Bafög zurückzahlen muss und monatlich rund 130 Euro für ihre Krankenversicherung ausgeben muss. Was sie ein wenig tröstet: »Ich habe, Gott sei Dank, ein Dispolimit von 500 Euro monatlich, in das ich rutschen darf. Das nutze ich auch aktuell auch aus, weil es überhaupt nicht mehr ohne geht.«
Alleingelassen und frustriert
Als Studentin fühlt sie sich alleingelassen, betont sie. »Wenn ich arbeitslos wäre oder Bürgergeld beziehen würde, hätte ich die Chance Anträge zu stellen, um eine Aufstockung zu bekommen oder finanziell entlastet zu werden. Das fällt aber alles bei Studenten weg.« Wie es jetzt weitergeht? »Ich bin aktuell sehr am Zweifeln, ob ich weiterstudieren und nach dem Bachelor diese finanzielle und mentale Belastung weiterhin auf mich nehmen soll.« Die Existenzangst wächst: »Wenn jetzt noch irgendeine Rechnung unerwartet reinflattert, habe ich ein Problem.«
Von anderen betroffenen Studenten erfährt Walz, dass es auch für sie finanziell immer enger und schlimmer werde. »Ich kenne keinen aus meinem Studiengang, der nebenbei nicht arbeitet.« Sie betont: »Wir geben uns alle Mühe, das Studium zu schaffen und sitzen nicht den ganzen Tag nur rum.« Doch sich derzeit aufs Studium zu konzentrieren, fällt Kramer schwerer als je zu vor. Denn: »Monat für Monat geht's um Überleben. Ich glaube, das ist vielen nicht bewusst.« (GEA)