GOMARINGEN-STOCKACH. Es war proppenvoll. So voll, wie der Saal im alten Stockacher Schulhaus schon lange nicht mehr war. Die letzten Stühle mussten noch zusammengekratzt werden, als Johannes Rothmund und Angie Dieter am Freitagabend zur Welturaufführung ihres Films »Die begehrte Braut« über den Zusammenschluss von Gomaringen und Stockach vor 50 Jahren luden.
Historische Aufnahmen aus der Zeit der Vermählung gibt es nicht. So erklingen zum Beginn die Stockacher Kirchenglocken, und ein bunter Brautstrauß zeigt: Hier gehen zwei eine Verbindung ein. In Interviews mit Zeitzeugen hat Rothmund, der seit 2016 in Stockach wohnt, versucht, die mit Kreis- und Gemeindereform kommunalpolitisch bewegte Zeit einzufangen. Und die überzeugte Wahl-Stockacherin Angie Dieter, die vor drei Jahren ein Buch über »ihr« Dorf veröffentlich hat, übernahm die Arbeit am Drehbuch.
Ludwig Junger, lange Ortsvorsteher und Sohn des damaligen Bürgermeisters, kommt zu Wort, ebenso Heinrich Betz sowie Willi Kemmler, der als heute noch einziger lebender Kommunalpolitiker die Debatten und Kontroversen miterlebt hat und mit Kreisarchivar Wolfgang Sannwald von den Hintergründen berichtet.
»Stockach war eine reiche Gemeinde«, erzählt Kemmler, »war schuldenfrei und hatte viel Wald.« War also das, was man gemeinhin eine gute Partie nennt. Kein Wunder also, dass die Braut begehrt war von nicht nur einem potenziellen Bräutigam. Tübingen hatte ein Auge auf Stockach geworfen, blitzte aber schnell ab. »Darüber wurde gar nicht groß diskutiert«, erinnert sich Heinrich Betz. Auch nicht über Kusterdingen, obwohl die Kinder nach Mähringen zur Schule gingen: »Wir gehören einfach nicht zu den Härten.«
»Über Tübingen wurde nicht groß debattiert«
Dußlingen war noch ein heißer Kandidat, gab es doch eine gemeinsame Kirchengemeinde und bis heute einen gemeinsamen CVJM, aber die Steinlachtäler waren wohl etwas zu knauserig. »Stockach wollte, dass die Verbindungsstraße geteert wird. Da hat man sich auf Dußlinger Markung immer Dreckschuhe geholt. Aber daraus wurde nichts, sonst wäre es vielleicht anders gelaufen«, mutmaßt Ludwig Junger.
So machte Gomaringen das Rennen, mit dem die Stockacher schon die gemeinsame Wasserversorgung verband und darüber hinaus auch das gute Miteinander der beiden Bürgermeister Ludwig Junger und Heinz Raff.
»Wir gehören einfach nicht zu den Härten«
Am 1. Dezember 1973 war die Vermählung: Auf den Stufen des Stockacher Schulhauses stehen die Bürgermeister, umrahmt von Fackelträgern der Feuerwehr. Heinz Oster und Albrecht Dürr erzählen, wie der Festabend ablief mit Beginn in Stockach und Wechsel in die Gomaringer Lindenhalle, wo ausgiebig gefeiert wurde.
Stockach und Gomaringen: Das war die richtige Entscheidung, sind sich heute alle einig, zumal der Gomaringer Gemeinderat immer brav beschlossen hat, was die Stockacher wollten. »Ich wurde immer in den Ausschuss gewählt, der bei Streitfällen hätte vermitteln sollen«, berichtet Willi Kemmler. »Aber er hat nicht einmal getagt.«
Einmal hat es aber doch etwas geknistert, erzählt Bürgermeister Steffen Heß. Das war 2018, als es um die Neukalkulation der Friedhofsgebühren ging. »Weil die Stockacher Leichen langsamer verwesen, wären Bestattungen hier deutlich teurer geworden – was dem Ortschaftsrat gar nicht gefallen hat.« Eine Art kreative Buchführung hat es dann aber doch möglich gemacht, dass die letzte Ruhestätte nun hüben wie drüben gleich viel kostet.
Wer den Film noch nicht gesehen hat, muss nicht darauf verzichten. Es gibt ihn bei Johannes Rothmund gegen eine kleine Spende auf einem USB-Stick. (GEA)