Am Urlaub hängt das ganze Leben, so lehren es diese Tage. Wer nicht im Sommer verreisen kann, lebt irgendwie nicht. Hamsterrad-Veteranen haben nur ein Glück: den Urlaub. Da ist man dann auch nicht eitel und schreibt sich ein »Hallo Malle« auf den Mund-Nasen-Schutz als Testurlaubspionier im heiß begehrten Balearen-Bundesland. Daher spricht man wohl ernsthaft von den »schönsten Wochen« im Jahr. Wo im Alltag kein Raum für schönes Leben und für Erholung bleibt, muss ein Urlaub her. Das gilt ganz besonders in Zeiten, wo das Leben durch ein Virus übel beeinträchtigt, im schlimmsten Fall gefährdet ist.
Aber wie kann man derzeit gut und sicher Urlaub machen? Gehört man zur Mehrheit der Menschen, die in der Krise keinerlei Einbußen bei den Einkünften hat? Ein zermürbender Shutdown auf dem Sofa bei vollen Bezügen? Kommt man derzeit auch weg? Und muss man quasi zwanghaft aus einer sehr schönen Region verreisen, die selbst Qualitäten eines Urlaubsgebiets hat? Weltgewandte Wanderer schwärmen etwa vom HW 1 am Albrand, schildern ihre Begeisterung, als sie am Schloss Lichtenstein und der Zollernburg vorüberkamen.
Alles zu nah und gewohnt. Tapetenwechsel geht anders. Nix wie weg! Klar, geht auch in diesen Tagen. Aus dem Kreis Tübingen heraus führt der direkte Weg in südliche Sehnsuchtsgefilde über die B 27, die viele Jahre noch ein einspuriges Nadelöhr zwischen Nehren und Bodelshausen hat. Wer es staufrei bis hinter Hechingen schafft (oder doch die A 81 über Rottenburg wählt), riecht schon ab Balingen italienische Luft. Offene Grenzen. Rimini oder Napoli – O Sole Mio.
Doch es muss nicht immer das Auto sein. In Flugzeugen wird von gebeutelten Fluggesellschaften angesichts von verbreitet verängstigten und verunsicherten Reiselustigen quasi laborreine Luft angepriesen. Und tolle Pauschalreisen ohne Risiken aber mit Rücktrittsversicherung machen alles so herrlich einfach. Alles wird einem abgenommen, super soft gepamperte Touristen bis zur Heimkehr.
Glaubt man Landesverkehrsminister Winfried Hermann, ist der öffentliche Nahverkehr als Zubringer – selbstredend ganz frei von jeder Ideologie und düsteren Geschäftszahlen – »keine Virenschleuder«, wie er bei der Premierenfahrt mit Abellio von Stuttgart nach Tübingen geäußert hat. Dass sich beispielsweise in New York nachweislich ein erheblicher Teil der an Covid-19 erkrankten Leute im ÖPNV angesteckt hat und viele Tausende später starben – alles Fakten von gestern.
Zum deutschen »Wumms« für mehr Wachstum und Konsum, zum Beatmen des stotternden Wirtschaftsmotors nach dem oft erfolglosen Beatmen von Patienten, gehört das sorgenfreie Reisen. Ohne Rücksicht auf eine zweite Infektionswelle. Wer gut verdrängt, lebt glücklicher. So ein Halstuch vor dem Mund gibt ein richtig gutes Gefühl. Wie war das mit Gustav von Aschenbach in Thomas Manns »Tod in Venedig«, war da nicht so eine Epidemie? Das Motto »Venedig sehen und sterben« ist vielleicht zeitloser als gedacht.