Logo
Aktuell Geschichte

Wankheim auf den Beinen: 200 Jahre Rathaus gefeiert

Beim Tag der offenen Tür ließ Gemeinde-Archivar Manuel Mozer tief in die Geschichte von Wankheim blicken.

Lange Schlange beim Würstchenstand und musikalische Unterhaltung vom Musikverein Wankheim: Das 200-jährige Bestehen des Wankheim
Lange Schlange beim Würstchenstand und musikalische Unterhaltung vom Musikverein Wankheim: Das 200-jährige Bestehen des Wankheimer Rathaus war gut besucht. Foto: kug
Lange Schlange beim Würstchenstand und musikalische Unterhaltung vom Musikverein Wankheim: Das 200-jährige Bestehen des Wankheimer Rathaus war gut besucht.
Foto: kug

WANKHEIM. Die Mitglieder der Wankheimer Feuerwehr grillten Würstchen in der Rathaus Garage. Die Sänger des Liederkranzes verkauften Kaffee und Kuchen, die Gartenfreunde des Obst- und Gartenbauvereins kümmerten sich bei den sommerlichen Temperaturen um kalte Getränke. Und dann war da noch der Wankheimer Musikverein, der die Gäste des Ortsfestes musikalisch unterhielt. Oder anders gesagt: Ganz Wankheim war am Sonntag beim 200-jährigen Rathausjubiläum auf den Beinen. Nicht nur das Rathaus feierte einen runden Geburtstag, auch der Wankheimer Kindergarten konnte nun endlich das 50-Jährige Bestehen nachfeiern. Der Festtag fiel damals in die Corona-Zeit und konnte somit nicht gefeiert werden.

»Als wir überlegt haben, ob wir das Fest überhaupt begehen wollen, waren die Vereine sofort mit dabei«, berichtete Michael Gassler, der Ortsvorsteher von Wankheim. Denn das Rathaus dient nicht nur dem Zweck von Verwaltungsaufgaben. Der Liederkranz und der Musikverein nutzen die Räume für Proben und Instrumentalunterricht. Auch der Obst- und Gartenbauverein trifft sich im gelben Gebäude in der Oberen Straße 24. »Vom Erlös des Festes soll ein neues Spielgerät für den Kindergarten angeschafft werden. Was genau gebaut wird, hängt von den Spendeneinnahmen ab«, so Gassler.

Blick ins Archiv

Anlässlich des Jubiläums öffnete Kusterdingens Archivar Manuel Mozer für die Öffentlichkeit sonst unzugängliche Türen. »Wankheim besitzt ein fast vollständiges Archiv«, berichtete der Geschichtsexperte. Seit Ende der Rathausrenovierung im Jahr 2019 befindet sich das Archiv im ehemaligen Getreidespeicher im obersten Stock des Rathaus. Viele alte Bücher stehen in Reih und Glied geordnet auf Regalen und lassen tief in die Geschichte Wankheims blicken. Da ist das älteste Dokument des Archivs von 1586, das eine erste Überlieferung der städtischen Regeln darstellt. In sauberer Handschrift steht dort geschrieben, wann gepflügt werden darf, wann die Schweine rausgelassen werden oder über welchen Acker man fahren darf. Die Regeln für ein konfliktfreies Zusammenleben waren also ein wenig anders geregelt als heute.

Das Archiv öffnet aber auch einen Blick auf die jüdische Geschichte Wankheims. Ein erster schriftlicher Nachweis erlaubte es Jüdinnen und Juden nach Wankheim zu ziehen. Denn sie durften lange Zeit nicht überall wohnen. »Im Jahr 1887 zog die letzte Jüdin aus Wankheim nach Tübingen«, sagte Ortsvorsteher Gassler. Dies sei möglich gewesen, da die Juden nun keine Ansiedlungserlaubnis mehr brauchten.

Rathaus war auch Schulhaus

Aber auch zur Geschichte des Rathaus gibt das Archiv viel her. Nur ein paar Meter entfernt lag das alte Rathaus in der Oberen Straße 20. Um 1824 muss das jetzige Rathaus fertig gewesen sein, erzählte Mozer. Das neue Rathaus sollte auch als Schulhaus genutzt werden. Mit einer Klasse, einer Lehrerwohnung und einem kleinen Kämmerlein für einen Referendar startete der Unterricht im Rathaus. Doch das musste sich bald ändern. »Die Wankheimer hatten viele Kinder und der Ort ist schnell gewachsen«, sagte der Archivar. 1883 mussten sich 128 Schüler in den heutigen Sitzungssaal quetschen. Der ist eindeutig zu klein. Obwohl Wankheim zunächst sparen wollte, mussten sie dem Druck des evangelischen Konsistorium nachgeben und anbauen. Denn damals waren die Schulen von der evangelischen Kirche organisiert. 1886 endete der Bau des neuen Klassenzimmers. »Das war eine deutliche Erleichterung. Zusätzlich wurde eine zweite Lehrstelle geschaffen«, sagte Mozer. Mit Einführung der Härtenschule löste sich die Schule im Wankheimer Rathaus 1937 auf.

»Von 2017 bis 2019 fand die letzte große Sanierung statt«, berichtete Gassler. Das Haus sei komplett in den Rohzustand versetzt worden. Das Holz um die Fenster sei marode gewesen und die Schrauben hätten dort nicht mehr gehalten. Doch einige Bestandteile sind immer noch erhalten: Der Parkettboden im Sitzungssaal zum Beispiel oder die Einritzungen im Ortsarrestzimmer. »Kleinere Straftäter wurden dort für ein paar Stunden oder Tage eingesperrt«, erzählte Mozer. Wankheim verliert 1975 seine Selbstständigkeit und gehört seitdem zur Gemeinde Kusterdingen. Doch das Rathaus behält immer einen wichtigen Stellenwert: Denn neue Pässe oder standesamtliche Trauungen gibt es immer noch in der Obereren Straße 24. (GEA)

Wankheim besitzt ein vollständiges Archiv. Manuel Mozer sortierte alle Dokumente.
Wankheim besitzt ein vollständiges Archiv. Manuel Mozer sortierte alle Dokumente. Foto: kug
Wankheim besitzt ein vollständiges Archiv. Manuel Mozer sortierte alle Dokumente.
Foto: kug