REUTLINGEN. Ein negativer Corona-Schnelltest soll Sicherheit geben. Seit im Land die Warnstufe gilt, ist er wieder öfter Voraussetzung für den Zugang zu Bereichen des öffentlichen Lebens. Doch viele Tests sind einer Studie zufolge gerade bei Omikron nicht verlässlich. Warum das Land trotzdem auf 3G setzt und was man laut der Tübinger Notärztin Dr. Lisa Federle bei Selbsttests beachten muss.
Wie zuverlässig erkennen Corona-Schnelltests Omikron-Infizierte?
»Etliche gängige Corona-Schnelltests erkennen eine Omikron-Infektion« oft nicht. Das berichtet die Tübinger Notärztin Dr. Lisa Federle aus eigener Erfahrung. Und es deckt sich mit Forschungsergebnissen eines Teams um Virologe Oliver Keppler von der Ludwig-Maximilians-Universität. Untersucht wurde die Leistungsfähigkeit von neun handelsüblichen Antigen-Schnelltests für die Erkennung einer Infektion mit der Omikron- oder der Delta-Variante.
Die Bilanz ist ernüchternd. Acht der vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) für frühere Virus-Varianten geprüfte Tests weisen eine Infektion mit Omikron schlechter nach als mit Delta, ergab die Studie. Keppler fordert: »Die einäugigen unter den blinden Tests für die Erkennung von Omikron müssen durch das Paul-Ehrlich-Institut identifiziert und veröffentlicht werden.« Etwa zehn problemlos verfügbare Tests würden hierfür ausreichen.
Eine solche Liste gibt es bis jetzt noch nicht. Das PEI schreibt auf seiner Website, man gehe davon aus, dass »die allermeisten der in Deutschland angebotenen und positiv bewerteten Antigentests eine Omikron-Infektion nachweisen können«. Grundlage für diese Aussage sei eine eigene Evaluierung der Sensitivität von Corona-Antigenschnelltests in Deutschland.
Schlagen Tests bei Geimpften und Ungeimpften unterschiedlich an?
Ein weiteres Problem der Schnelltests: Sie scheinen bei Geimpften erst anzuschlagen, wenn diese bereits Symptome aufweisen. Das liegt daran, dass das durch die Impfung vorbereitete Immunsystem früher auf Viren reagiert, berichtet der NDR. Dabei verursacht es Abwehrreaktionen wie Schnupfen, Schmerzen und Müdigkeit. Bei Ungeimpften dauere es dagegen länger, bis sie sich krank fühlen, während die Virusproduktion bereits auf Hochtouren läuft. Daher könne es sein, dass bei Geimpften erst nach ein paar Tagen genug Viren im Körper sind, damit Schnelltests darauf reagieren.
Wie mache ich den Abstrich richtig?
Schuld an falschen Ergebnissen sind oft Fehler beim Abstreichen. »Wenn ich einmal in der Nase durchwische, dann brauche ich mich nicht wundern, warum ich kein richtiges Ergebnis habe«, sagt Federle. Vor einem Selbsttest sollte man sich nicht die Nase putzen und grundsätzlich die Gebrauchsanweisung lesen. Jeder Test sei anders. Aber man müsse das Stäbchen schon 1,5 bis 2 Zentimeter tief in die Nase einführen und mehrfach drehen. Wichtig sei auch, das Ergebnis nach der empfohlenen Zeit abzulesen. Doch selbst wenn der Test korrekt gemacht wird, muss man sich darüber im Klaren sein, dass er keine absolute Sicherheit bringt, sagt Federle. Bei einem positiven Resultat empfiehlt sie zunächst einen zweiten Selbsttest und dann einen PCR-Abstrich.
Ist ein Rachenabstrich bei Omikron sinnvoller?
Ob ein Schnelltest anschlägt, kommt auch darauf an, wie hoch die Viruslast ist, sagt Lisa Federle. Zwischen einer niedrigen und einer sehr hohen Viruslast können bei Omikron allerdings nur wenige Stunden liegen, weil es sich im Rachenraum viel schneller vermehrt als vorherige Varianten. In zahlreichen Medienberichten raten Experten daher zu einem Rachenabstrich. Lisa Federle empfiehlt das so direkt nicht, sagt aber: »Ich habe den Eindruck, dass Omikron in der Nase schlechter erkannt wird, als im Rachen.«
Kann ich Tests für die Nase auch im Rachen durchführen?
Der Großteil der Selbsttests ist nur für einen Nasenabstrich geeignet. Sie sollten daher nicht für einen Rachenabstrich verwendet werden, sagen Experten. Zu viel Speichel könnte das Ergebnis verfälschen, warnt etwa der Branchendienst apotheke-adhoc. Es gibt Schnelltests, die explizit für einen Rachenabstrich zugelassen sind. Die waren in vielen Reutlinger Teststationen und Apotheken auf GEA-Anfrage jedoch nicht vorrätig.
Wie müssen Tests gelagert werden?
Eine falsche Lagerung kann die Qualität von Corona-Schnelltests laut Lisa Federle stark beeinträchtigen. Sie sollten daher weder im Kühlschrank aufbewahrt werden, noch direkter Sonneneinstrahlung ausgesetzt werden. Geringe Temperaturen lassen die Spezifität des Testergebnisses sinken. Heißt, es kann vermehrt zu falsch positiven Ergebnissen kommen, schreibt die Landesapothekenkammer. Hohe Temperaturen hingegen reduzieren die Sensitivität, was zu mehr falschen negativen Resulaten führen kann. Optimal für Schnelltests ist Zimmertemperatur, so Federle.
Wie kann ich die Qualität von Schnelltests überprüfen?
Das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte stellt auf seiner Website eine Liste mit Corona-Schnelltets zur Verfügung. Sie enthält Informationen über Herkunft, Sensitivität, Spezifität und darüber, ob das jeweilige Kit vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) getestet wurde. Eine besonders unkomplizierte Möglichkeit, die Qualität von Selbsttests zu überprüfen, bietet www.schnelltest.de. Die Website stützt sich auf PEI-Daten. Durch Scannen des QR-Codes mit dem Smartphone erhalten Nutzer die wichtigsten Parameter.
Wie bewertet das Sozialminiterium die Aussagekraft von Schnelltests?
Unzuverlässigkeit bei Omikron, Unterschiede bei Geimpften und Ungeimpften, falsche Anwendung – die Fehlerliste bei Schnelltests ist lang. Trotzdem bestehen »keine Zweifel an der Wirksamkeit der Tests«, teilt das Sozialministerium Baden-Württemberg auf GEA-Nachfrage mit. Die Behörde stützt sich dabei auf die Meinung des Paul-Ehrlich-Instituts. Zudem sei die Wahrscheinlichkeit, dass ein positives Ergebnis tatsächlich positiv ist, bei den aktuell hohen Fallzahlen sehr hoch. »Dies wird durch den sogenannten positiven-prädiktiven Wert ausgedrückt, der nicht nur von der eigentlichen Nachweisqualität eines Tests abhängt, sondern auch davon, wie häufig die Erkrankung in der Bevölkerung zu einem bestimmten Zeitpunkt vorhanden ist.«
Warum setzt das Land bei Lockerungen weiter auf Schnelltests?
Das Sozialministerium begründet das so: »Antigen-Tests identifizieren insbesondere Personen, die zum Zeitpunkt der Testung mit hoher Wahrscheinlichkeit infektiös sind – und darum geht es bei 3G-Beschränkungen.« Erfahrungen der vergangenen Wochen aus verschiedenen Bereichen hätten außerdem gezeigt, dass auch Omikron-Infizierte ausreichend zuverlässig erkannt würden. Die Ungenauigkeit der Schnelltests bei Omikron habe bei den internen Beratungen über die Lockerungen jedoch keine Rolle gespielt. »Öffnungsstrategien werden immer auf Grundlage der aktuellen pandemischen Lage unter Berücksichtigung des spezifischen Infektionsgeschehens getroffen«, teilt das Sozialministerium mit. Auch Lisa Federle hält Schnelltests trotz Schwächen weiter für ein geeignetes Mittel, um Corona-Regeln zu lockern. Man könne zwar nicht verhindern, dass Leute angesteckt werden, aber man könne verhindern, dass sich weniger gleichzeitig anstecken. »Die Alternative zu Testen ist, dass wir zuhause bleiben, wenn wir einen Schnupfen haben.« (GEA)