TÜBINGEN. Die Gewerkschaft ver.di droht im Tarifpoker um die Entgelte von Beschäftigten in den vier Universitätskrankenhäusern in Baden-Württemberg mit Streik am 3. Juni: »Wir haben sieben Mal verhandelt«, sagte Benjamin Stein, Geschäftsführer des ver.di-Bezirks Neckar-Fils. Die Arbeitgeber-Seite sei allerdings bislang auf keine der Gewerkschaftsforderungen eingegangen.
Die Tarif-Kommission der Gewerkschaft stellte die Forderungen nach einer Befragung von rund 4.000 Uniklinik-Mitarbeiter zusammen: Demnach fordert ver.di von den Klinik-Betreibern die Entgelte um elf Prozent zu erhöhen. Bei einer Laufzeit von zwölf Monaten sollen die Beschäftigten mindestens 500 Euro, Auszubildende im 250 Euro mehr im Monat verdienen.
Arbeitgeber sollen jedes Jahr fünf Lebensphasentage bezahlen
Darüber hinaus möchte die Gewerkschaft das Arbeitsumfeld verbessern: Alle Beschäftigten und Auszubildenden der Uni-Kliniken sollen durch die Einführung eines Lebensphasenkontos entlastet werden. Die Arbeitgeber sollen jedes Jahr fünf Lebensphasentage auf das Konto »einzahlen«, zusätzlich soll es weitere Möglichkeiten geben, das Konto zu befüllen. Solch eine Regelung gebe es bereits in Nordrhein-Westfalen, in Berlin und Mainz.
Madeleine Glaser von der Tarif-Kommission sprach von »Belastungs-Ausgleichs-Tagen« – die Beschäftigten sollen frei entscheiden können, wie sie diese Tage verwenden, die vom Status her den aktuell 30 Urlaubstagen jährlich gleichgestellt würden. Zusätzlichen Urlaub soll es für Schicht-Arbeiter geben. »Einspringen könnte auf dieses Konto gehen«, schlug Benjamin Stein vor.
»Maximal absurd, das verhandeln zu müssen«
In der Pflege sollen in allen Betrieben Mindestpersonalausstattungen festgelegt werden. Die Gewerkschaft fordert ein Verfahren zu vereinbaren, welches Belastungssituationen feststellt und entsprechende Regelungen zum Belastungsausgleich festlegt. So könnte den Klinik-Beschäftigten ein Tag gutgeschrieben werden, wenn sie in drei unterbesetzte Schichten arbeiten müssen, wenn sie sich Übergriffen ausgesetzt sehen, oder wenn sie kurzfristig ihre Freizeit opfern müssen.
»Es ist maximal absurd, dass wir das verhandeln müssen«, ärgerte sich Lena Mayr, Personalratsvorsitzende am UKT. Elli Zimmermann, die als Pflegerin in der Radio- und Neuro-Onkologie, sowie auf der Palliativ-Station arbeitet, verwies auf das bereits erstreikte Ausfall-Management. »In meinem Bereich funktioniert das sehr gut.« Was gäbe es noch zu verbessern? »Man könnte eine Rufbereitschaft einführen.«
Entlastung soll bei allen ankommen
Vor allem aber, so Elli Zimmermann, müsse »Entlastung bei allen ankommen.« Das wäre ein Signal für diejenigen, die Lust auf den Beruf haben und jene, die zu anderen Arbeitgebern oder in andere Branchen abgewandert sind. Die Tendenz sei alarmierend, sagte Marina Schäfer, die am UKT als Gesundheits- und Krankenpflegerin arbeitet: »Aus meinem Examensjahrgang 2021 ist die Hälfte nicht mehr in der Pflege tätig.«
Personalmangel gebe es auch in seinem Bereich, mahnte UKT-Physiotherapeut Florian Kriegel. Er argumentierte, es könne die Verweildauer im Beruf deutlich verlängern, wenn Schichtzeiten geändert würden. Madeleine Glaser betonte, es bestehe die Chance, einige examinierte Kräfte zurückzuholen: »Mit diesem Paket wollen wird die Abwärtsspirale stoppen.«
Am 3. Juni könnte es zum Streik kommen
Hochleistung müsse bezahlt werden, betonte Benjamin Stein, und wenn man dies mittels eines Arbeitskampfs erzwingen müsse. Für den Fall, dass es am 3. Juni, über alle drei Schichten hinweg, zum Streik komme, sei die Notversorgung bereits organisiert. Was an Untersuchungen und Operationen verschoben werden könne solle verschoben werden. Um 11.30 findet eine Kundgebung statt.
Für die vier baden-württembergischen Uniklinika in Ulm, Tübingen, Heidelberg und Freiburg gilt ein eigener, mit dem Arbeitgeberverband Uniklinika abgeschlossener Tarifvertrag, von dem rund 30.000 Beschäftigte an den vier Kliniken betroffen sind. Die Ärzte fallen unter den Tarifvertrag Ärzte Länder, das wissenschaftliche Personal als Landesbeschäftigte unter die Tarifbestimmungen des Landes. (GEA)