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Tübinger Reparatur-Treff findet zum 100. Mal statt

Der Reparatur-Treff im Werkstadthaus in der Tübinger Aixer Straße ist ein Volltreffer. Stets am letzten Mittwoch eines Monats geöffnet, warten 70 Reparateure, vorwiegend Männer, auf Menschen, die ihre defekten Geräte vorbei bringen. Diesen Mittwoch war besonders viel los: Der Reparatur-Treff fand zum hundertsten Mal statt.

Jakob Schenk reparierte die Nähmaschine von Robert und Karin Mauser (rechts daneben).
Jakob Schenk reparierte die Nähmaschine von Robert und Karin Mauser (rechts daneben). Foto: Michael Sturm
Jakob Schenk reparierte die Nähmaschine von Robert und Karin Mauser (rechts daneben).
Foto: Michael Sturm

TÜBINGEN. Zur hundertsten Öffnung des Reparatur-Treffs begrüßten Gertrud van Ackern, früher Tübinger Beauftragte für Bürgerengagement, und Michael Grünwaldt vom Vorstandsteam, stellvertretend für die ganze Mannschaft vom Werkstadthaus, viele Gäste, allen voran Tübingens Sozialbürgermeisterin Gundula Schäfer-Vogel, die sich ein Bild vom Reparatur-Café im Stadtteiltreff des Französischen Viertels machte.

Sie lobte den Reparatur-Treff als einen Ort, wo Zivilgesellschaft lebendig sei, »gerade in Zeiten, in denen das Geld knapp wird.« Sie freue sich auch über die große Verbundenheit ehemaliger städtischer Mitarbeiter mit dem was diese einst angestoßen hatten. Mit diesem Kompliment spielte sie den Ball wieder hinüber zu Gertrud van Ackern, die das Lob wiederum an die Reparateure weiterreichte. 70 seien es, manche von Beginn an dabei.

Do It Yourself out? Von wegen!

Der Reparatur-Treff sei nach einem Symposium im Jahr 2012 beschlossen worden. Zum ersten Mal kamen Reparateure und ihre Kunden am 29. November 2013 in der Aixer Straße 72 zusammen, das Werkstadthaus selbst stand damals bereits zehn Jahre. »Wir hatten damals den Eindruck, Do It Yourself sei out«, gestand Gertrud van Ackern. Weit gefehlt: Seitdem wurden um die 3.000 Geräte repariert.

Am Mittwoch saßen die Reparateure im Erdgeschoss unter anderem an einem CD-Spieler, einem Radio oder der Platine einer Waschmaschine. Rosemarie Bürker und ihr Mann brachten ein großes Rührgerät für Baustellen: »Wir sind mitten am Verputzen«, sagte sie. Laut der ersten Überprüfungen sei alles in Ordnung, ob Kohle, Motor, Spannung oder Kabel. »Er hat es gerade aufgemacht. Es wird noch ein bisschen dauern«, sagte Rosemarie Bürker.

Ehemaliger Maschinenbauer jetzt Spezialist für Nähmaschinen

Einen Stock höher saßen Spezialisten für Computer – und welche für Nähmaschinen. Ihr Nestor: Jakob Schenk, 83, von Beginn an beim Reparatur-Treff dabei. In einem Koffer hatte er eine große Auswahl an Werkzeug dabei: Inbus, »alle Sorten«, so Schenk, Schraubenzieher in allen Größen, Zangen, Scheren, Messgeräte, Draht, natürlich Kontaktspray – einfach alles, was man zur Reparatur einer Nähmaschine benötigt.

Schenk arbeitete früher als Maschinenbauer und Monteur in einer Hechinger Schuhfabrik. Die Geräte, an denen er damals arbeitete, seien aus technischer Sicht nicht so weit weg von den Nähmaschinen. Am Mittwoch saß Schenk an einer Pfaff aus dem Jahr 1992: Die Maschine hatte »einen harten Punkt: Die Nadelstange saß fest, sie hatte kein Schmieröl mehr«, erklärte Schenk der Besitzerin Karin Mauser aus Wannweil.

Mit Fingerspitzengefühl und Geduld

Ihr Mann Robert bewunderte derweil das Fingerspitzengefühl und die Geduld des Maschinenbauers. Er saß neben Schenk und beobachtete jede behutsame Bewegung. Etwa als eine Federführung, ein kleines Metallplättchen, wieder aus seiner Nute rutschte. »Die Geduld hätte ich nicht«, sagte Robert Mauser. Jakob Schenk erledigte seine Millimeterarbeit ohne Brille. Das verdanke er einer Augenoperation. Grauer Star. Sagte es und fädelte nebenher einen Faden ein. Nach zweieinhalb Stunden Gefriemel war das Gerät wieder voll funktionstätig.

Tübingens Sozialbürgermeisterin Gundula Schäfer-Vogel (hier mit Gertrud van Ackern, links) schnitt die von Aline Mistral gebacke
Tübingens Sozialbürgermeisterin Gundula Schäfer-Vogel (hier mit Gertrud van Ackern, links) schnitt die von Aline Mistral gebackene Torte zum Hundertsten des Reparatur-Treffs an, während die Reparaturen im Hintergrund weiter liefen. Foto: Michael Sturm
Tübingens Sozialbürgermeisterin Gundula Schäfer-Vogel (hier mit Gertrud van Ackern, links) schnitt die von Aline Mistral gebackene Torte zum Hundertsten des Reparatur-Treffs an, während die Reparaturen im Hintergrund weiter liefen.
Foto: Michael Sturm

Am Tisch gegenüber ratterte auch eine Nähmaschine. Da saß der Gomaringer Jörg Jürgens, 80 Jahre alt, ehemaliger Schneider. Jahrelang Betriebsleiter der Firma Wendler in Reutlingen. Ein Mann von Fach und einer der das Schneidern, vor allem für die Enkel, weiterhin als Hobby betreibt. Sein Kunde Martin Allenstein war nicht zum ersten Mal da. Diesmal brachte er eine Hose, samt einem passenden Flicken, den Jürgens an der Schenkel-Innenseite einnähen sollte.

Auch die Arbeit des Schneiders im ersten Stock ist beliebt

»Kein Problem«, sagte der Schneider aus Gomaringen. Ein Kinderspiel für ihn. Für Allenstein nichts Neues: Die Ärmel der Jacke die er trug hatte er auch schon von Jürgens machen lassen. Sie seien ausgefranst gewesen, das Gummi hinüber. Kaum zu glauben, die Jacke wirkte wie neu gekauft. Gute Arbeit. Die Arbeit des Schneiders sei beliebt, sagte Allenstein: »Einmal kam ein Student, der sich von ihm vier Hemden enger nähen ließ.«

Der Abend im Reparatur-Café neigte sich allmählich dem Ende entgegen. Margit Aldinger nahm ihr repariertes Grundig-Radio (»mein stetiger Begleiter«) wieder mit nach Hause. Die Bürkers hatten dagegen nur teilweise Erfolg. Ihr riesiges Rührgerät laufe entweder unter Volldampf laufe, oder gar nicht, hätten die drei Männer gesagt, die damit beschäftigt gewesen. Die hätten es nicht beheben können, sagte Rosemarie Bürker: »Ein Regler ist defekt. Wir brauchen ein Ersatzteil.« (GEA)