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Schwabendörfer in Georgien

TÜBINGEN. Sie hießen Aichele, Mang, Maier oder Kimmerle. Sie stammten aus Orten wie Kirchentellinsfurt, Kusterdingen, Walddorf oder Reutlingen. Ihre neuen Dörfer haben sie Katharinenfeld, Elisabethtal oder Traubenberg genannt. Und sie siedelten weit weg von ihrer schwäbischen Heimat. Vor 200 Jahren wanderten Schwaben von hier nach Georgien aus. Bald trugen zwanzig Dörfer südlich von Tiflis deutsche Namen.

Der Frauenjahrgang 1909 beim Turnen. Foto: Allmendinger
Der Frauenjahrgang 1909 beim Turnen. Foto: Allmendinger
Der Frauenjahrgang 1909 beim Turnen. Foto: Allmendinger
Für die Tübinger Germanistik-Professorin Dorothee Kimmich war ein Besuch in Tiflis vor einiger Zeit ein Aha-Erlebnis. Ihr ging's wie den meisten: Mit der Geschichte der Auswanderung in die USA war sie vertraut. Sie wusste auch, dass Siedler in den 1760er-Jahren der Einladung von Zarin Katharina II. gefolgt waren und an der Wolga hundert Dörfer gründeten. Rumänien oder Ungarn als Ziel von Auswanderern waren ihr ebenfalls bekannt. Aber Georgien? Da musste sie passen.

»Die Erforschung der Schwabendörfer beginnt erst«, sagt Evamarie Blattner, die eine Ausstellung zusammengestellt hat, die am Sonntag im Tübinger Stadtmuseum eröffnet wird. Dort ist nachzuvollziehen, was damals geschah.

Religionsfreiheit war garantiert

Nach dem Hungerjahr 1816 als Folge des Vulkanausbruchs in Indonesien war das Angebot aus dem Osten verlockend. Zar Alexander bot Familien eine Zukunft. Religionsfreiheit, Selbstverwaltung und Befreiung vom Wehrdienst wurden garantiert. Die Siedler durften weiter ihre Sprache sprechen. Sie bekamen Grund und Boden plus Startkapital. Unglaublich, wenn man es mit dem vergleicht, was Flüchtlinge heute in der Bundesrepublik erwarten dürfen, findet Kimmich.

Stark bei Weinbau und Fußball

Die schwäbischen Siedler engagierten sich im Weinbau und brauten Bier. Das Vereinsleben blühte auf. Musik und Theater waren beliebt. Und auch auf dem Fußballplatz waren die Nachkommen später erfolgreich. In Katharinenfeld existierten zu Beginn es 20. Jahrhunderts offenbar fünf Fußball-Mannschaften – eine soll es sogar mal nach Moskau zu einem Finale geschafft haben. 1930 wurde ein Fahrradclub gegründet, der großen Zulauf fand.

24 000 Kolonisten lebten in Georgien, als Stalin 1941 befahl, sie nach Sibirien oder Kasachstan zu schicken. Einige sind in den späten 1950er-Jahren wieder zurückgekehrt. Die Dörfer sind zwar in beklagenswertem Zustand. Aber manche haben sich auf das Erbe besonnen. 2013 wurde ein Verein gegründet, der die Erhaltung fördern soll. Oliver Reisner von der Uni Tiflis will in Tübingen, Reutlingen und Umgebung nach den Spuren der ersten Auswanderer suchen. (GEA)

Eröffnung am Sonntag

Die Ausstellung im Stadtmuseum wird am Sonntag, 19. Februar, um 11 Uhr eröffnet. Es sprechen Dorothee Kimmich und Kulturwissenschaftler Oliver Reisner von der Uni Tiflis. Um 14 Uhr lädt die Fotografin und Architektin Nestan Tatarashvili zu einer Führung und einem Kurztalk in englischer Sprache ein. Die Ausstellung geht bis Sonntag, 30. Juli. Der Eintritt ist frei. Das Museum hat dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr geöffnet. (GEA)