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Aktuell Prozess

Ofterdinger Messerstecher muss in die Psychiatrie

Das Tübinger Landgericht ordnet die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Der 55-Jährige hatte im Februar in Ofterdingen einen Polizisten mit einem Messer angegriffen und verletzt. Das Urteil ist rechtskräftig.

Tübinger Landgericht ordnet Unterbringung des Messerstechers von Ofterdingen in der Psychiatrie an.
Tübinger Landgericht ordnet Unterbringung des Messerstechers von Ofterdingen in der Psychiatrie an. Foto: Bernd Weißbrod/dpa
Tübinger Landgericht ordnet Unterbringung des Messerstechers von Ofterdingen in der Psychiatrie an.
Foto: Bernd Weißbrod/dpa

MÖSSINGEN/OFTERDINGEN. Der 55-jährige Angeklagte, der im Februar 2023 in Ofterdingen einen Polizeibeamten mit dem Messer angriff, muss in ein psychiatrisches Krankenhaus. Dies ordnete das Tübinger Landgericht am Mittwoch an. Der 55-Jährige leidet an einer schizoiden Psychose und war zum Zeitpunkt der Tat »nicht ausschließbar« schuldunfähig. Das Gericht sprach ihn deshalb auch vom Vorwurf des versuchten Totschlags frei.

Das Urteil war »keine Überraschung«, erklärte der Vorsitzende Richter Armin Ernst. Am Vortag hatten schon die Erste Staatsanwältin Bettina Winckler und Verteidiger Markus Weiß-Latzko dafür plädiert, den Angeklagten in der Psychiatrie unterzubringen. Der 55-jährige Ofterdinger nahm gestern das Urteil an. Damit kann seine Therapie, die der psychiatrische Sachverständige Professor Hermann Ebel auf »mindestens zwei Jahre« schätzte, sofort beginnen.

Im Ausland untergetaucht

Der Angeklagte war bis 2010 völlig unauffällig gewesen. Er hatte soziale Kontakte, er hatte eine Schulausbildung und einen Beruf. Als seine Eltern gestorben waren, geriet er mit seinen Geschwistern in Streit ums Erbe. Als das Elternhaus verkauft wurde, glaubte er zu wenig abbekommen zu haben. Zudem wurde sein Teil des Erbes wegen Schulden von der Bank gepfändet, wie Ernst gestern berichtete.

Dies war möglicherweise einer der Gründe, warum der Angeklagte 2010 von der Bildfläche verschwand. Wie sich später herausstellte, war er ins Ausland gegangen. Dort zeigten sich die ersten Auffälligkeiten. Zwei Gerichte in Spanien und Frankreich brummten ihm wegen ähnlicher Delikte wie jetzt Bewährungsstrafen auf.

Angeklagter schlief unter der Brücke und im Wald

»Im Jahr 2017 ist er dann wieder nach Ofterdingen zurückgekommen«, schilderte Ernst den weiteren Lebenslauf des Angeklagten. Aber wegen seiner Krankheit sei es dem 55-Jährigen nicht mehr gelungen, »hier richtig Fuß zu fassen«. Der Angeklagte habe jeden Realitätsbezug verloren. Er fand keinen Job und schlief unter einer Brücke in Mössingen oder im Wald. In dieser Zeit begann er auch, übermäßig Alkohol zu trinken.

Auffällig waren dann seine lautstarken Touren. Er tauchte regelmäßig bei der Familie seines früheren besten Freundes und bei seinen Geschwistern auf, beschimpfte und beleidigte sie wüst und drohte ihnen, sie umzubringen oder ihr Haus anzuzünden.

Kritik an Mössinger Polizei

Richter Ernst sparte bei diesem Punkt nicht mit Kritik am Polizeiposten in Mössingen. Mehrmals hatten sich die Betroffenen an die Polizei gewandt. Es finden sich insgesamt 17 Vermerke in den Akten. Die Vorkommnisse seien dort aber bagatellisiert worden, so Ernst. Und wenn trotz der heftigen Drohungen des 55-Jährigen »die Polizei nichts mache, was soll dann die Familie überhaupt noch machen«.

Als der Angeklagte am Abend des 17. Februar 2023 wieder vorm Haus seiner Schwestern in Ofterdingen auftauchte und drohte und schimpfte, riefen die Geschwister die Polizei. Es kam aber keine Streife aus Mössingen, sondern eine aus Tübingen. Die kannte die Familienstreitigkeiten aber nicht. Einer der Streifenbeamten versuchte, die Situation zu beruhigen und wollte den Ausweis des 55-Jährigen sehen. Doch der Mann lief weg, beschimpfte den Beamten und drohte, ihn abzustechen, wenn er ihn anfasse.

Mit dem Messer in Richtung Hals gestochen

Der Beamte stellte sich dem 55-Jährigen in den Weg. Der Angeklagte zog urplötzlich aus seiner Jackentasche ein kleines Klappmesser und stach in Richtung Hals des Polizisten. »Gott sei Dank hat der Beamte nur eine geringfügige Verletzung erlitten«, meinte Ernst. Der Angriff ging wohl so glimpflich aus, weil der Streifenpolizist noch rechtzeitig ausweichen konnte.

Der Stich sei gezielt und »abstrakt lebensgefährlich« gewesen, urteilte die Schwurgerichtskammer. Der Angriff sei »mit bedingtem Tötungsvorsatz« geschehen, weshalb es sich um einen versuchten Totschlag gehandelt habe.

Wie der psychiatrische Gutachter war auch die Schwurgerichtskammer der Auffassung, dass nicht auszuschließen sei, dass der 55-Jährige bei der Tat wegen seiner psychischen Erkrankung schuldunfähig gewesen war. Er müsse deshalb freigesprochen werden, gleichzeitig werde aber die Unterbringung in einem Psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Der Angeklagte sei in seinem gegenwärtigen Zustand für die Allgemeinheit gefährlich. Der Richter hofft aber, dass der 55-Jährige mithilfe einer Therapie wieder in sein ursprüngliches Leben zurückfindet. (GEA)