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Ofterdinger Überraschungen für Bürgermeister Joseph Reichert

29 Jahre Rathauschef: Mit dem 73. Geburtstag und dem Erreichen der Altersgrenze ist Schluss. 500 Besucher in der Burghof-Halle

Ein altes Damenfahrrad als Geschenk? Joseph Reichert (rechts) wusste nicht so recht, was er davon halten sollte. Doch Ehefrau Co
Ein altes Damenfahrrad als Geschenk? Joseph Reichert (rechts) wusste nicht so recht, was er davon halten sollte. Doch Ehefrau Cornelia und die Gemeindreräte lösten das Räsel auf: Der Drahtesel hat nur als Symbol gedient für eine Erlebnisreise entlang der Mosel. Foto: Joachim Kreibich
Ein altes Damenfahrrad als Geschenk? Joseph Reichert (rechts) wusste nicht so recht, was er davon halten sollte. Doch Ehefrau Cornelia und die Gemeindreräte lösten das Räsel auf: Der Drahtesel hat nur als Symbol gedient für eine Erlebnisreise entlang der Mosel.
Foto: Joachim Kreibich

OFTERDINGEN. Kinder singen »Mach‘s gut, auf Wiederseh‘n - es ist Zeit, von Bord zu gehen«. Der Musikzug spielt »Wir sagen Dankeschön« von den Flippers. Dazwischen wird ein Mann gewürdigt, der in wenigen Tagen 73 wird und fast drei Jahrzehnte lang Bürgermeister in Ofterdingen war. Die Beteiligten bei der Verabschiedung von Joseph Reichert in der Burghof-Halle hatten sich schöne Überraschungen ausgedacht und gaben nebenbei einiges preis, was nicht jeder wusste.

Seine Bürgermeisterkollegen haben ihn stets Giuseppe genannt, verriet Rathauschef Thomas Hölsch, der Reichert jetzt als dienstältesten Schultes im Landkreis ablöst. An die straffe Redezeitbeschränkung (fünf Minuten) für seinen Beitrag mochte er sich nur ungern halten, denn: »Es gibt so viele Dinge zu loben.«

»Statt «halber Mann, ganzes Geld» gilt künftig: «Ganzer Mann, halbes Geld.» - Landrat Joachim Walter «

Der Gemeinderat habe ihn nicht auffordern müssen, etwas zu tun, sondern stattdessen immer mal wieder »einbremsen«. Reichert habe stets Standfestigkeit und Rückgrat bewiesen und immer, wenn sich eine Gelegenheit für seine Gemeinde ergab, die Chance beim Schopf ergriffen. Leider hätten Bürgermeister heute oft weniger Spielraum als noch vor etlichen Jahren und fühlten sich manchmal eher als »Verwalter statt Gestalter«.

Die Kollegen hatten einen Gutschein aufwendig verpackt:  Joseph Reichert (rechts) mit Thomas Hölsch, der mit Reichert auch ein M
Die Kollegen hatten einen Gutschein aufwendig verpackt: Joseph Reichert (rechts) mit Thomas Hölsch, der mit Reichert auch ein Mitglied seiner FWV-Kreistags-Fraktion verliert. Foto: Joachim Kreibich
Die Kollegen hatten einen Gutschein aufwendig verpackt: Joseph Reichert (rechts) mit Thomas Hölsch, der mit Reichert auch ein Mitglied seiner FWV-Kreistags-Fraktion verliert.
Foto: Joachim Kreibich

Landrat Joachim Walter erinnerte daran, wie Reichert mit 66 Jahren nicht in den Ruhestand ging, sondern noch einmal durchstartete in seine vierte Amtszeit. Ehefrau Cornelia habe nun die Aufgabe, ihn »fürs zivile Leben zu resozialisieren«. Vom Prinzip »halber Mann, ganzes Geld« müsse man am gemeinsamen Wohnsitz am Bodensee Abschied nehmen. Künftig gelte: »Ganzer Mann, halbes Geld.«

Die Gemeinderäte und die Mitarbeiter hatten frühzeitig mit der Ehefrau Kontakt aufgenommen und überraschten den Bürgermeister mit einem besonderen Geschenk. Erst schoben sie ein altes Fahrrad auf die Bühne, dessen Baujahr und Ausstattung erkennbar nicht den Wünschen des Geehrten entsprach. Dann verrieten Ruth Blaum, Martin Schmid und Martin Lutz, dass er nicht den alten Drahtesel bekomme, sondern eine Erlebnisreise gleich in der nächsten Woche mit dem Rad von Trier nach Koblenz. Protest zwecklos. Den Termin, den er noch gehabt hätte, hatten sie schon ohne großes Federlesen abgesagt.

»Ein Meister im Anzapfen: Nicht beim Fleggatreff, aber bei den Fördertöpfen. - Gemeinderat Martin Schmid«

Lob gab’s für Reichert auch von weiteren Akteuren. Harald Schwertle bescheinigte ihm in Vertretung des verhinderten Oliver Wiens, dass er sich stets sehr für die Vereine eingesetzt habe. Feuerwehr-Kommandant Matthias Gäbele und seine Kollegen haben Reichert zum Ehrenmitglied ernannt und präsentierten die entsprechende Urkunde. Geplant sei auch eine Ausfahrt mit dem Feuerwehr-Oldtimer an den Bodensee. Pfarrer Fabian Kunze vermutet, dass ein nicht geringer Teil der Ofterdinger nie einen anderen Bürgermeister als Reichert gekannt hat. Er selber sei zu Beginn der ersten Amtszeit 1994 gerade in die dritte Klasse gegangen.

Gemeinderat Martin Schmid zählte eine Reihe von Vorhaben auf, die Reichert verwirklicht hat, und gab zu, dass die Bürgervertreter gelegentlich doch starkes Herzklopfen hatten. Reichert habe vorausschauende Grundstückspolitik betrieben, die Sache mit Ausdauer und Verhandlungsgeschick gesteuert, dazu sei er Meister im Anzapfen: »Nicht beim Fleggatreff, aber bei den Fördertöpfen.« Hauptamtsleiter Alexander Schwarz erstellte ein detailliertes Dienstzeugnis für den scheidenden Chef. Heraus kam als Gesamtnote ein glatte Eins. Die gut 500 Besucher bestens unterhaltenen Besucher in der Halle erfuhren nebenbei, dass der Rathauschef Fan des Hamburger Sportvereins ist und einen ausgeprägten Konsum von Süßigkeiten an den Tag gelegt hat.

»Ofterdingen war immer pflegeleicht - mit wenigen Ausnahmen. - Bürgermeister Joseph Reichert«

Reichert selbst erinnerte daran, dass er als Bürgermeister bei allen getroffenen Entscheidungen im Gemeinderat stets nur eine Stimme hatte, und gab das vielstimmige Lob zurück: »Ofterdingen war immer pflegeleicht - mit wenigen Ausnahmen.« Eine besondere Freude bereitete ihm die Präsenz der beiden Töchter Alexandra und Melanie und der vier Enkelkinder. Als »Besucher vom Bodensee« komme er gerne wieder in die Steinlachgemeinde zurück, die in seiner Amtszeit die Zahl ihrer Einwohner auf das Anderthalbfache erhöht hat, von rund 4.000 auf 5.500. (GEA)