OFTERDINGEN. Die Endelbergtrasse ist derzeit die vom Bauträger bevorzugte Variante für den Aus- und Neubau der B27 im Steinlachtal. Der Eingriff in die Landschaft wird allerdings tief, sollte sie kommen. 21 Hektar werden neu versiegelt, dazu kommen 23 Hektar Straßenböschungen. Temporär für Bauarbeiten genutzt werden weitere 19 Hektar. Dem gegenüber werden 1,37 Hektar entsiegelt. Die geplante Straße durchschneidet einen national bedeutsamen Wildtierkorridor, beeinträchtigt FFH-Gebiete, ein Vogelschutz – und ein Natura 2000 Gebiet. Mit "erhebliche Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes und für die Landschaftserholung sei zu rechnen, sagte Susanne Forstner vom Büro Eberhard Landschaftsarchitekten beim Erörterungstermin des Regierungspräsidiums am Mittwoch in der Ofterdinger Burghofhalle.
Um den Flächenverbrauch zu minimieren, haben die Straßenplaner einiges getan, sagte Forstner: Die Straßenbreite wurde von 31 auf 28 Metern reduziert, auf den Vollanschluss in Bad Sebastiansweiler verzichtet. Das reicht allerdings noch lange nicht aus, um den tiefen Eingriff in Natur und Landschaft zu kompensieren. Vor allem ein kleines Geschöpf steht dabei bei den Landschaftsplanern im Mittelpunkt ihrer Bemühungen: die Wanstschrecke. Der Lebensraum des vier Zentimeter großen Insekts wird von der neuen Straße komplett durchschnitten. Sollten keine landschaftspflegerische Maßnahmen getroffen werden, »wird die Art dort langfristig erlöschen«, sagte Michael Bräunicke von der Arbeitsgruppe Tierökologie. Dabei gehört die Wanstschrecke zu den stark gefährdeten Arten. Schwierig wird es auch für Feldlerche und Haselmaus.
Die Gefahr des Aussterbens der Wanstschrecke könnte das gesamte Straßenbau-Projekt ins Wanken bringen. In dem Natura 2000-Gebiet gilt ein Habitatschutz und ein Verschlechterungsverbot. Allerdings können Ausnahmen davon beantragt werden, sofern ein überwiegend öffentliches Interesse besteht und es keine zumutbaren Alternativen gibt, sagte Wolfgang Schettler. Um für die Wanstschrecke den Lebensraum im Steinlachtal zu erhalten, wollen die Landschaftsarchitekten große Flächen zwischen Ofterdingen und Nehren als Flachland-Mähwiesen ausweisen. Zehn Prozent der Wiesen sollen wechselweise aus der Bewirtschaftung herausgenommen werden, um genügend Altgras für das Insekt zu erhalten.
Weitere landschaftspflegerische Vorhaben sind eine Grünbrücke über die Straße am national bedeutsamen Wildkorridor bei Bad Sebastiansweiler. Der darunter liegende Hungergraben soll bis auf 15 Meter aufgeweitet und naturnah gestaltet werden. Für die Straßenböschungen haben die Landschaftsarchitekten standortgerechte Bepflanzungen vorgesehen. Unbelasteter Oberboden, der bei den Straßenbauarbeiten anfällt, soll auf Ackerflächen ausgebracht werden, um sie zu verbessern. Darüber hinaus ist die Anlage von Streuobst- und Magerwiesen geplant. Alles in allem ein Maßnahmenkonzept, das 82 Hektar abseits der Straße umfasst, sagte Forstner. Das Landschaftsbild könne allerdings nicht mehr wiederhergestellt werden, gibt die Landschaftsarchitektin zu. Es werde aber neu gestaltet und die Straße bestmöglich in die Landschaft eingebunden.
»Können Sie garantieren, dass die Wanstschrecke nicht ausstirbt?«, fragte Friedhelm Göltenboth aus Nehren nach. »Mit diesen Maßnahmen wird sie überleben«, antwortete im Scheffler. Allerdings sei man auf die Mithilfe der Landwirte angewiesen. Martin Lutz, Ofterdinger Landwirt, meldete sich daraufhin zu Wort. Für die Pflege und den Erhalt der Ausgleichsmaßnahmen müsse es eine finanzielle Entschädigung geben, forderte Lutz. Vor allem aber kritisierte er das gesamte Vorhaben: »Die Fläche ist nachher eine Straße und damit für immer verloren.«
Auch Andrea Molkenthin-Keßler vom Landesverband des Naturschutzbundes (Nabu) hatte ganz grundsätzlich gegen das Straßenbau-Vorhaben Einwände. Schon jetzt habe man eine Biodiversitätskrise und damit eine »massive Verantwortung« für die Arten. »Wir leben jetzt schon im Klimawandel und dennoch zerschneiden wir einen Grünzug«, so eine weitere Stimme aus dem Publikum. »Wir tun so, als ob wir auf verschiedenen Planeten unterwegs sind«, sagte Michael Koltzenburg vom Landesnaturschutzbund. Die Straße werde weitere Probleme produzieren. »Land kann man nicht vermehren.« Lasse man die Landschaft bestehen, werde auch keine Biotopvernetzung benötigt, fügte Thomas Klett (Nehren) hinzu. Die Variante über den Endelberg sei die »absolut schlechteste Variante« in Bezug auf Flächenverbrauch und Umweltschädlichkeit, sagte Göltenboth. »Sie ist deshalb abzulehnen.«
Die leidenschaftlichen Plädoyers für den Erhalt der Landschaft im Steinlachtal konterte Versammlungsleiter Rainer Prußeit vom Regierungspräsidium nüchtern mit der Feststellung, dass umweltfachliche Belange für den Bau der Straße nicht allein ausschlaggebend seien.
Die vielen Fragen der Bürger konzentrierten sich in erster Linie auf den Naturschutz. Schallschutz und wasserrechtliche Belange waren da nur noch Randthemen. Dabei überschreitet die geplante Straße an 40 Orten die zulässigen Grenzwerte für Lärm. Das Ingenieurbüro empfiehlt, mit lärmminderndem Straßenbelag und Schallschutzwänden dagegen zu steuern. So sind unter anderem bei der Kurklinik Bad Sebastiansweiler fünf Meter hohe Schallschutzwände geplant. In Sachen Wasserökologie gab der zuständige Ingenieur Entwarnung: die rechtliche Vorgabe, dass der Zustand von Flüssen und Bächen nicht verschlechtert werden dürfe, werde eingehalten. Auch im Bereich des Hochwasserschutzes sind von der neuen Straße keine Beeinträchtigungen zu erwarten.
Zwei volle Tage wurde ausführlich erörtert. Michael Kittelberger und Prußeit bedankten sich für den sachlichen Ton, der dabei von den Beteiligten angeschlagen wurde. »Das haben wir schon ganz anders erlebt«, sagte Prußeit. Man werde sich die Entscheidung nicht einfach machen, versprach der Versammlungsleiter. Bis wann mit einem Beschluss zu rechnen ist, ließ er offen. (GEA)