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Nach fünf Jahren als Sozialbürgermeisterin: Ein Fazit von Daniela Harsch

Tübingens Sozialbürgermeisterin Daniela Harsch verlässt nach fünf Jahren ihr Amt. Sie wird Kaufmännische Direktorin des Universitätsklinikums.

Daniela Harsch hat in ihrer Amtszeit in Tübingen viel bewegt.
Daniela Harsch hat in ihrer Amtszeit in Tübingen viel bewegt. Foto: Nadine Nowara
Daniela Harsch hat in ihrer Amtszeit in Tübingen viel bewegt.
Foto: Nadine Nowara

TÜBINGEN. Eigentlich dauert die Amtszeit einer Sozialbürgermeisterin acht Jahre. Daniela Harsch verlässt das Tübinger Rathaus jedoch nach fünf, um beruflich neue Wege zu gehen. Ab Januar ist sie Kaufmännische Direktorin des Universitätsklinikums. Ihre Nachfolgerin wird Gundula Schäfer-Vogel (SPD). Im GEA-Gespräch spricht Harsch darüber, wie wichtig ihr soziales Engagement ist, warum sie sehr jung in die SPD eingetreten ist und was sie an Tübingen schätzt.

»Es ist nicht Deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist. Es wär nur Deine Schuld, wenn sie so bleibt.« Mit dem Zitat aus dem Song »Deine Schuld« der Band Die Ärzte haben Sie sich 2011 erneut zum SPD-Landesvorstand beworben. Was bedeutet das Zitat Ihnen heute?

Daniela Harsch: Ich finde es noch immer passend für viele Situationen. Es hebt die Notwendigkeit von Engagement hervor. Für Tübingen wünsche ich mir, dass die Gesellschaft offen und solidarisch bleibt, und wir Themen wie Armut nicht aus dem Blick verlieren. Manchmal muss man eben auch etwas hergeben, damit es allen besser gehen kann. In den vergangenen Jahren haben wir in den Stadtteilen mehr Orte der Begegnung geschaffen. Hier geht es auch um Hoffnung und darum, dass sich Menschen nicht einsam und verloren fühlen müssen. Man kann sich dort auch niederschwellig über Ansprüche wie Wohngeld beraten lassen. Dafür muss sich niemand schämen. Diese Leistungen stehen einem zu.

Warum haben sie sich bereits als Jugendliche dazu entschieden, sich in der SPD zu engagieren?

Harsch: Da gab es sicher viele Gründe. Ich war aber schon immer »gerechtigkeitsfanatisch«. Und die Eltern meiner besten Schulfreundin waren sehr klassisch sozialdemokratisch. Dort war ich oft nach der Schule. Sie haben mir die typische Jugendliteratur wie etwa, »Als Hitler das rosa Kaninchen stahl« oder »Die Welle«, nähergebracht. Das hat mich sicher geprägt. Für die SPD bin ich derzeit im Tübinger Kreistag aktiv, wobei das Parteibuch da eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Für die Stadt Tübingen war es wichtig, dass die Verwaltungsspitze auch im Kreistag vertreten ist. Aber ich denke, dass es auch für meine neue Tätigkeit wichtig ist, die Sichtweisen und Interessen des Klinikums im Kreis einzubringen. Gerade wenn es um Themen wie Infrastruktur und den Öffentlichen Nahverkehr geht.

Wo sind Sie in Ihrer Arbeit als Sozialbürgermeisterin auf Hürden gestoßen?

Harsch: Ich musste damit umzugehen lernen, nicht allen Menschen und Themen gleichermaßen gerecht zu werden. Ein Zehn-Stunden-Tag ist allein schon durch die Pflichtaufgaben gefüllt. Mehr als ein bis zwei zusätzliche Themen kann man gar nicht bearbeiten. Ständig gilt es, Prioritäten neu zu definieren. Und die Themen wechseln stündlich: von Kita über Pflege, Feuerwehr, Sport und Kultur. Da muss man schon sehr wach bleiben.

In Ihre Amtszeit fällt die Corona-Pandemie. Wie haben Sie diese erlebt?

Harsch: Das war eine sehr einnehmende Zeit. Die Tübinger Verwaltung hat sehr flexibel reagiert. Ständig mussten neue Verordnungen umgesetzt werden. Wir haben uns in den unterschiedlichen Dezernaten gegenseitig geholfen. Zum Beispiel haben Mitarbeiter aus dem Kulturbereich im Ordnungsamt Quarantänebescheide ausgestellt. Hier habe ich viel Solidarität erlebt.

Welche unterschiedlichen Seiten nehmen Sie von Tübingen wahr?

Harsch: Die Tübinger Gesellschaft ist sehr vielseitig. Auch auch hier gibt es Menschen, die finanziell abgehängt oder einsam sind. Man muss allen Kindern die Chance geben teilzuhaben, damit sie ihren Weg gehen können. In meiner Arbeit hatte ich viele wertvolle Begegnungen und ich habe beeindruckende Lebensgeschichten gehört. Mir hat besonders die menschliche Bandbreite gefallen: Ich war bei Hundertjährigen zum Geburtstag, bei vielen Kulturveranstaltungen, der Feuerwehr, in der Vesperkirche und an vielen weiteren Orten. Mich beeindruckt besonders die Freude, die engagierte Menschen verbreiten.

Welche negativen Seiten von Tübingen haben Sie beobachtet?

Harsch: Ein Beispiel: Der Ordnungsdienst, mit dem ich auch ab und zu unterwegs war, stößt immer wieder auf aggressives Verhalten. Vor kurzem wurden beim Weihnachtsmarkt drei Mitarbeiter verletzt. Das macht mir Sorgen. Sie haben mehr Respekt verdient. Unverständnis und Ungeduld vonseiten der Bevölkerung habe auch ich häufiger erfahren. Wegen Beleidigung habe ich einmal Strafanzeige stellen müssen. Der Mann ist auch verurteilt worden. So etwas darf man nicht durchgehen lassen.

Sie haben in ihrem Beruf erlebt, dass Sie manchmal nicht respektiert werden. Wie zeigt sich das?

Harsch: Als relativ junge Frau in so einem Amt ist es oft nicht einfach. Und ich musste da meinen eigenen Weg finden. In so manchem Buch, das mir anfangs nahegelegt wurde, ging es darum, sich als Frau in einer Männerwelt zu behaupten und dabei dann ähnlich dominant aufzutreten. Ich denke, dass es mir aber gelungen ist, auf meine eigene Art authentisch zu sein ohne mich dabei zu verbiegen – und dabei hoffentlich auch empathisch zu bleiben. Aber natürlich erfordern blöde oder abwertende Sprüche auch immer Haltung und einen Umgang damit. Hinter vermeintlichen Komplimenten, wie »Schade, dass Sie als Bürgermeisterin gehen. Sie habe ich immer gerne angeschaut« versteckt sich eben doch etwas ganz anderes. Denn zu meiner Arbeit hat der Mann nichts gesagt.

Worauf freuen Sie sich an Ihrem neuen Beruf als Kaufmännische Direktorin des Universitätsklinikums?

Harsch: Mir ist wichtig, dass die Arbeit sinnhaft ist und ich selbstbestimmt arbeiten kann. Ich kann mich nun thematisch wieder mehr fokussieren. Es ist ein breites Spektrum von Finanzen, über Bauprojekte und Personalwesen bis hin zum Thema Nachhaltigkeit. (GEA)

Zur Person

Daniela Harsch war Tübingens Kultur- und Sozialbürgermeisterin von 2019 bis 2023. Mit ihren 41 Jahren hat sie schon eine beachtliche Karriere vorzuweisen. Am Uniklinikum Ulm arbeitete sie in der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie in den Bereichen Personal, Finanzen und Forschung. Von 2012 bis 2015 war sie Referentin im baden-württembergischen Finanzministerium. Sie hat sowohl ein Diplom in Betriebs- als auch in Volkswirtschaft. In Volkswirtschaft hat sie an der Uni Tübingen promoviert. Das Thema: Internationale Einkommensungleichheiten. Bereits früh hat die gebürtige Reutlingerin sich in der SPD engagiert. Unter anderem war sie stellvertretende Juso-Landesvorsitzende und SPD-Vorsitzende in Reutlingen. Dem Reutlinger Tierheim hält sie seit fast 30 Jahren die Treue und arbeitete viele Jahre bis zu Beginn der Pandemie an Sonn- und Feiertagen auf der Hundestation. (GEA)