TÜBINGEN. Viel Kritik, Unverständnis und auch Beschimpfungen hat Gerold Knisel eingesteckt, als er im Sommer angekündigte, dass nur Geimpfte am Nikolauslauf teilnehmen dürfen. »Alle haben an Scholz und Baerbock gedacht, ich an den Dezember«, sagt der Leiter des Projektteams im Post-SV Tübingen. Die Voraussicht hat sich nun ausgezahlt: Bei bestem Wetter gingen rund 2.154 Läuferinnen und Läufer am Sonntag an den Start. Angemeldet hatten sich 4.141 Teilnehmer. Sie verteilten sich auf vier verschiedene Wettbewerbe.
»Alle haben an Scholz und Baerbock gedacht, ich an den Dezember«
Bis zum Schluss haben die Organisatoren gebangt, dass der Lauf doch noch abgesagt werden musste. Schließlich flatterte die aktuelle Coronaverordnung erst am Freitagabend um 22.35 Uhr schriftlich ins Haus. Eine Begrenzung von 750 Zuschauern ist da vorgesehen. Das betreffe den Lauf aber nicht, sagt Knisel. Schließlich gibt es nirgendwo Zuschauerränge oder Tribünenbereiche am Rand des Weges.
Vieles, was sonst üblich ist, musste pandemiebedingt gestrichen werden. Keine Duschen, keine Massagen, keine Siegerehrung, keine Geselligkeit nach dem Lauf. »Wir hatten praktisch nichts im Innenbereich«, erzählt Knisel. Nur zum Umziehen konnten die Sportler die Halle nutzen.
Um den Startblock zu entzerren, wurde er in drei Wellen aufgeteilt, um die Menge. Die schnellsten Läufer bekamen die kleinsten Nummern. So sollten Überholmanöver vermieden werden. Gestartet wurde mit Maske, erst später durften die Läufer sie absetzen. Wem auch das zu nah war, der konnte sich per Mausklick für eine andere Form des Laufes entscheiden: entweder der virtuelle Lauf auf einer Strecke nach Wahl (fast 400 Läufer haben sich dafür entschieden) oder auf eigene Faust auf der Originalstrecke. Um das zu ermöglichen, wurden Messstationen an Bäumen befestigt. In der Hälfte der Strecke kann eine Zwischenzeit genommen werden. Fast 200 Läufer sind selbstständig unterwegs. Bis 12. Dezember wird deren Ergebnis noch gewertet.
Der Verein hat sehr flexibel auf die sich ständig veränderten Bedingungen reagiert. Die rund 4 000 Startunterlagen wurden von 30 Helfern einzeln eingetütet und verschickt, um Warteschlangen beim Anmelden zu vermeiden. »Man darf nicht immer nur im Jammermodus gehen«, sagt Knisel. »Da gibt es schließlich Formate, die funktionieren.« Einen ersten Testlauf für neue Formate hatte der Verein schon hinter sich: Im vergangenen Jahr wurde der Nikolauslauf rein virtuell angeboten.
Ins Ziel kamen am Sonntag insgesamt 2.118 Läuferinnen und Läufer. Rund 30 stiegen vorher aus. Auch einen Unfall hat es dieses Mal gegeben: Ein Rehbock rammte eine kleine Läufergruppe, unter der auch Knisel war. Das Tier habe er zuerst als braunen Schatten wahrgenommen und sich dann reflexartig geduckt, erzählt der Sportler. Er hat Glück gehabt, der Rehbock streifte ihn leicht. Den Läufer hinter ihm traf das Tier dagegen voll. Der junge Mann ging zu Boden. Einsatzkräfte des Deutschen Roten Kreuzes kümmerten sich um ihn. Mittlerweile gehe es dem Läufer wieder ganz gut, berichtet Knisel. Ansonsten verlief der Lauf ohne Zwischenfälle.
Gesiegt hat ein junges Talent aus Thüringen. Der 25-jährige Karl Junghannß vom LAC Erfurt lief mit 1:07:09 einen neuen Streckenrekord. Corinna Coenning vom TSV Glems lieferte sich mit Anais Sabrié von der LAV Stadtwerke ein spannendes Rennen und ging als schnellste Frau mit 1:20:04 durchs Ziel. (iwa)