MÖSSINGEN. Anderthalb Kilo schwer ist die Geschichte von Mössingen, die jetzt – zwischen zwei Buchdeckeln – zum 1.250sten Jubiläum der Erstnennung erschienen ist. Auf 380 Seiten geht es üppig bebildert durch zwei Jahrtausende – mit einem Abstecher bis in die Steinzeit des Steinlachtals zurück. Das im Silberburg-Verlag erschienene Werk ist zugleich Begleitband zur Ausstellung in der Pausa-Tonnenhalle (mittwochs und sonntags, 14 bis 18 Uhr, bis 22.12.2024).
Die Neuerscheinung des gewichtigen Werkes ist mit guten und schlechten Nachrichten verbunden. Zunächst: Erstmals in den fünfzig Jahren seit ihrer Stadterhebung hat die Verwaltung ein umfassendes Geschichtsbuch herausgegeben. Und es kommt endlich Licht in die mittelalterliche Vorgeschichte von Mössingen, Talheim, Öschingen und Belsen. Mit 29,99 Euro ist es außerdem erstaunlich günstig.
Platz reicht nicht aus
Allerdings – und das war klar – reichte der Platz nicht aus, um alle Geschehnisse auch nur annähernd aufzugreifen. Entsprechend komprimiert mussten deshalb gerade die Epochen seit Kriegsende abgehandelt werden. Für die letzten fast 80 Jahre standen nur 13 Textseiten zur Verfügung. Im selben Zeitraum füllten die Ereignisse im oberen Steinlachtal allein über 23.500 Zeitungsseiten. Auch – das war bei dieser Mammutaufgabe nicht zu vermeiden – finden sich hier und da Unstimmigkeiten im Text. So die irrigen Behauptungen, die verlassenen Siedlungen Buch, Steinhofen und Sankt Johannisweiler ließen sich nicht mehr lokalisieren. Oder: »Die Amtsstadt Tübingen liegt einen halben Tagesmarsch von Mössingen« entfernt. Das trübt aber keineswegs die Freude am gelungenen Werk.
Und trotz allem: »Für Geschichtsinteressierte kann das Buch mit seinen zahlreichen Nachweisen auch eine Einstieg für weitere Nachforschungen sein«, ist sich Dr. Franziska Blum sicher. Die Museumsleiterin war als Historikerin federführend für die Ausgabe verantwortlich.
Mössingen ist mit seiner »Stadtgeschichte« die letzte Kommune in der südwestlichen Kreisecke, die ihre Historie umfassend darstellt. Zwar gab es 1973 im Vorfeld der Stadterhebung ein »Heimatbuch« des Autors Martin Haar. Sein Werk war eine bunte Zusammenstellung von Geschichten, Dokumenten und Namenslisten und ist noch heute ein fundreiches Nachschlagewerk. Es hat aber bereits damals wissenschaftlichen Ansprüchen nicht entsprochen.
Ein neunköpfiges Autorenteam hat mit drei Jahren Vorlauf nun eine fundierte Zusammenstellung der Mössinger Vergangenheit zu Papier gebracht. Und nicht nur die Kernstadt mit Belsen, Bästenhardt und Bad Sebastiansweiler werden in dem Prachtband vorgestellt. Auch die seit 1971 zu Mössingen gehörende Orte Öschingen und Talheim sind Teil des Stadtgeschichtsbuch.
»Archäologische Funde sowie archivalische Quellen wurden erforscht und gegeben nun neue Einblicke in die großen Geschichtslinien und die kleinen Geschichten vor Ort«, sagt Blum. Von 2009 bis 2017 hatte sie als Stadtarchivarin bereits alle verfügbaren Quellen zur Ortsgeschichte sichten können.
Neunköpfiges Autorenteam
Mit im Autorenteam sind der Archäologe Andreas Willmy, der Schlaglichter auf die Vor- und Frühgeschichte der Ortsteile wirft. Dr. Dorothee Ade, Archäologin und Kulturwissenschaftlerin, befasst sich mit den ersten Siedlern an der Steinlach noch vor der Mitte des 6. Jahrhunderts. David Bauer, seit 2017 Mössinger Stadtarchivar, ist als Historiker involviert, genauso wie Dr. Hermann Berner, der bis 2016 Museumsleiter im Ort war und der mit zahlreichen lokalgeschichtlichen Veröffentlichungen Mössinger Themen in den Fokus brachte. Mit dem Historiker Dr. Denis Drumm hat sich erstmals jemand wissenschaftlich mit den Mössinger Urkunden des Früh- und Hochmittelalters ausgiebig beschäftigt. Dr. Dennis Schmidt, ein Bästenhardter Historiker und Pressereferent des Balinger OB und Noch-Belseners Dirk Abel, hat Talheims und Öschingens Geschichte seit 1800 beleuchtet. Unterstützung fand er durch den Heimatforscher Hans Martin Schneider. Die dunkle NS-Zeit in den Ortsteilen beleuchtet schließlich die Historikerin Dr. Sophie Stern.
OB Michael Bulander zeigte sich bei der Buchvorstellung zur Ausstellungseröffnung (der GEA berichtete) sehr angetan: »Nach dem Lesen erlebt man die Stadt nochmal anders. Es ist für mich auch etwas Emotionales, weil man viel Neues erfährt. Und jetzt wird einem erstmals so richtig die Geschichte dieser Stadt bewusst.« (GEA)