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Aktuell Streuobstwiesen

Liegen blieben wirklich nur die Faulen

MÖSSINGEN. »Die Seele tut einem weh - andrerseits ist es ein Trost, dass die Natur verschwendet.« Peter Zschocke liest, wie etwa 50 andere Mössinger, im Gewann »Tabak-Äcker« oberhalb des Panorama-Wegs Äpfel auf. In diesem Herbst hat es die Natur fast zu gut gemeint; manche Bäume brechen sogar zusammen unter der Last der vielen Äpfel und Birnen. Auf vielen Streuobstwiesen verfault das Obst auf dem Boden, weil viele Besitzer der Gütle zu alt sind, sich um die Ernte zu kümmern. Und die Nachkommen haben häufig kein Interesse.

Gemeinderat Zschocke, der kein eigenes Obstbaumgrundstück besitzt, hilft mit bei der Aktion »Nur die Faulen bleiben liegen«. Die Ernteaktion haben das Netzwerk Streuobst und der Mössinger Obst- und Gartenbauverein ins Leben gerufen. Oberbegriff: »Mössinger ernten Mössinger«. Zschocke zeigt sich zufrieden: »Ein Teil geht in den Tafelladen - der Rest in andere soziale Projekte.«

Organisatorin Sabine Mall-Eder vom Mössinger Netzwerk Streuobst hat in den Tagen zuvor mit Hilfe der Stadt die Bäume auf den Allmandflächen, also jenen, die der Gemeinde gehören, gekennzeichnet. Rund 50 Bäume sind dabei zusammengekommen. Sechs der Bäume gehören dem Netzwerk Streuobst. Diesmal, so Mall-Eder, habe man sich auf die öffentlichen Flächen konzentriert.

Als Option sei aber für das nächste Jahr durchaus denkbar, auch Privatleute mit eigenen Streuobstwiesen anzusprechen: »Manchem tut es weh, wenn sein Obst verfault.« Die Idee: Diese Leute könnten sich dann beim Netzwerk Streuobst oder bei den beiden lokalen Zeitungen Schilder abholen, die, an die Bäume geheftet, das Abernten erlauben.

Kisten vor dem Gartentor

Christel Ehmann-Dadey sammelt ebenfalls mit. Sie selbst hat zwei Birnbäume im Garten, erzählt sie, und da sie die vielen Früchte nicht selbst verbrauchen kann, stellt sie allabendlich zwei Kisten voll vor ihre Gartentüre: »Das ist jedes Mal am nächsten Tag weg.« Und sie ergänzt: »Da stehen die Leute Schlange für Obst aus Chile und Neuseeland, und ein paar hundert Meter weiter verrottet das Obst auf den Wiesen, nur weil ihnen nicht gezeigt wird, dass sie es pflücken dürfen.«

Die Mössinger Aktion ist kein Einzelfall. In Nehren haben, wie berichtet, alle Schüler der Kirschenfeldschule in dieser Woche Bäume geschüttelt und Obst aufgelesen. Und am Samstag durften, wie in Mössingen, Nehrener ohne eigenes Gütle ihnen zugewiesene Bäume abernten. Etliche Tausend Liter Saft seien dabei zusammengekommen, so der Nehrener Vorsitzende des Obst- und Gartenbauvereins, Norbert Saur. (ulp)