TÜBINGEN. Im Prozess gegen einen Ukrainer, der vergangenes Jahr in einer Flüchtlingsunterkunft seine Freundin erstochen hat, wurden gestern am Tübinger Landgericht das Urteil verkündet: Wegen Mord aus niederen Beweggründen lautete der Beschluss: lebenslänglich, zudem trägt der Angeklagte die Kosten des Verfahrens.
Mit einem spöttischen Lächeln und leichtem Kopfschütteln nahm der 46-jährige Ukrainer den Gerichtsbescheid auf – seine Bibel, die er demonstrativ bei jedem vorangegangenem Verhandlungstag auf den Tisch gelegt hatte, fehlte diesmal.
Vorsitzender Richter Armin Ernst zur Urteilsbegründung: »Wir sehen das Mordmerkmal aus niederen Beweggründen, Eifersucht, erfüllt«. In der Zusammenfassung wurden noch einmal die Geschehnisse rekonstruiert. Das Opfer war mitsamt der Tochter vor dem Krieg in der Ukraine nach Polen geflohen, wo sie den künftigen Täter kennenlernte. Zusammen kamen sie dann nach Deutschland und fanden in einer Flüchtlingsunterkunft in der Bismarckstraße Quartier.
Trennung nicht akzeptiert
War die Beziehung am Anfang noch harmonisch, kippte das Klima jedoch rasch: Streitereien, Schläge und Eifersucht führten das Verhältnis zwischen Opfer und Täter in eine Abwärtsspirale.
Die Auseinandersetzungen wurden zunehmend von körperlicher Gewalt geprägt – die Ex-Freundin war mit Verletzungen im Gesicht und blauen Flecken an den Armen gezeichnet. Darum zog sie aus dem gemeinsamen Zimmer aus und wollte aus Angst auch die Unterkunft wechseln.
Nach einem besonders gewaltsamen Aufeinandertreffen kam der Täter für knapp drei Tage in die Psychiatrie. Laut Richter Armin Ernst hatte der Angeklagte ein »ambivalentes Verhältnis« zu seiner ehemaligen Partnerin. So beteuerte er auf der einen Seite, dass er sich um 100 Prozent ändern würde und hoffte auf eine Wiedervereinigung bei einem romantischen Abendessen. Zum anderen äußerte er sich in Chats mit Bekannten negativ über das Opfer: »Sie hat mich angepisst und ausgenutzt«, »ich habe die Eigenschaft, mich zu rächen und werde ihr eine Lektion erteilen« und »das Anmelden auf einer Datingplattform war ihr Kardinalfehler«, textete der Ukrainer.
Als seine ehemalige Freundin mit ihrer neuen Liebschaft telefonierte, versuchte der Angeklagte, den Inhalt des Gesprächs mitzubekommen, wie Zeugenaussagen belegen. Hier schien dem Beschuldigten bewusst geworden zu sein, dass die Beziehung endgültig vorbei war. Die Trennung wollte er aber nicht akzeptieren und wurde von großer Eifersucht erfasst. »Der Angeklagte hat sich aus diesen niederen Beweggründen zum Richter aufgeschwungen und hat die Todesstrafe über seine ehemalige Freundin verhängt«, so Richter Ernst. Mit fünf Stichen und Schnitten in Brustkorb, Bauch und Hals wurde die Frau mittels einem Jagdmesser dann getötet. Die Verletzungen des Herzbeutels, der Herzkammer, der Lunge und die Durchtrennung der Halsschlagader sorgten laut Gutachterin für einen minutenschnellen Tod durch Blutverlust.
Verhöhnt und ausgelacht
Heimtücke oder eine besonders schwere Schuld konnte das Schwurgericht nicht feststellen. Es sei zwar nicht ausgeschlossen, dass die Schilderung des Täters, er sei mit Suizidabsicht in das Zimmer seiner Ex-Freundin gekommen und habe sich das Tat-Messer an die Brust gesetzt, um sie noch umstimmen zu können der Wahrheit entspreche – aber die weitere Erzählung, sie habe ihn verhöhnt und ausgelacht, sodass er anschließend die Tat im Affekt beging, glaubte das Gericht nicht.
Die Sachverständigen hatten volle Schuldfähigkeit attestiert. Dies, so Ernst, zeigen auch die Telefonate des Angeklagten direkt nach der Tat: er erzählte, seine Freundin getötet zu haben, »und um sicher zu gehen, noch zwei Mal ein Stich in den Hals«.
Während seiner Haftstrafe, so der Richter, könne der Ukrainer sich nun mit der Tat auseinandersetzen und diese aufarbeiten. Auch sein Sozialverhalten müsse er überdenken – dies setzte aber eine Mitarbeit seinerseits voraus. Das Schlusswort nahm der Täter regungslos und desinteressiert zur Kenntnis. (GEA)
IM GERICHTSSAAL
Gericht: Armin Ernst (Vorsitzender Richter), Dr. Christian Mezger, Benjamin Meyer-Kuschmierz. Schöffen: Stephan Lundt, Dr. Kerstin Arnold. Staatsanwalt: Lukas Bleier. Verteidiger: Dr. Benjamin Chiumento. (GEA)