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Aktuell Kreishaushalt

Kosten für Soziales im Kreis Tübingen steigen - Landrat schlägt Alarm

Die Kosten für Jugend- und Sozialhilfe steigen im Kreis Tübingen drastisch. Der bürokratische Aufwand wächst. Landrat Joachim Walter schlägt anlässlich des Kreishaushaltes Alarm.

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wie hier im  Kinder- und Jugendhilfezentrum Karlsruhe, können im Landkreis Tübingen nur
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wie hier im Kinder- und Jugendhilfezentrum Karlsruhe, können im Landkreis Tübingen nur noch schwer untergebracht werden. Es fehlt an Plätzen und Personal. Foto: Uli Deck/dpa
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wie hier im Kinder- und Jugendhilfezentrum Karlsruhe, können im Landkreis Tübingen nur noch schwer untergebracht werden. Es fehlt an Plätzen und Personal.
Foto: Uli Deck/dpa

TÜBINGEN. Der Kreishaushalt ist in der Regel eine eher trockene Materie. Das Zahlenwerk des Landkreis Tübingen hat es allerdings in sich: Die Kreisumlage wird im kommenden Jahr deutlich angehoben. Dahinter stecken unter anderem stark gestiegene Kosten in der Sozial- und Jugendhilfe. Was Joachim Walter aber besonders plagt, ist der fehlende Platz für Jugendliche und Flüchtlinge in Not und der ständig steigende bürokratische Aufwand bei völlig unsicherer Ertragslage. So geriet das Pressegespräch zum Haushalt fast zur Brandrede des Landrats. Selten sei die Aufstellung des Haushaltes »so schwierig und unbefriedigend wie in diesem Jahr gewesen«.

Jugendamt am Limit

Die Fälle in der Jugendhilfe werden deutlich mehr, und sie werden deutlich schwieriger, erklärt Walter die erheblichen Kostensteigerungen über fünf Millionen Euro. Dazu kommt ein erheblicher Fachkräftemangel. Dabei fehlen dem Jugendamt eigentlich zu den bestehenden 137 weitere 22 Stellen. 15 neue Stellen sind im Haushaltsentwurf eingeplant, erklärt der Landrat. Deren Finanzierung sei aber bisher nicht gesichert. Die Not ist groß in der Jugendhilfe. Es fehlt nicht nur an Personal, sondern auch an Betreuungsplätzen bei allen sozialen Trägern. Auch die Kinder- und Jugendpsychiatrie sei heillos überlastet. Das alles schlägt sich am Ende in Kosten nieder, sagt Walter: Mittlerweile habe der Landkreis sechs Kinder, die unter dem Begriff Systemsprenger gefasst werden können. Jeder Fall koste den Kreis 50.000 Euro im Monat, da die Kinder von zwei Personen im Drei-Schicht-Betrieb betreut werden müssen. Auch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge stehen immer häufiger vor den Türen des Landratsamtes. Die Behörde hat dann große Mühe, die Kinder und Jugendlichen zu versorgen.

Ähnlich dramatisch wie in der Jugendhilfe sieht es in der Sozialhilfe aus. Auch da steigen die Kosten deutlich. Und zwar um über neun Millionen Euro. Damit liegen die Ausgaben für die sozialen Hilfen insgesamt bei rund 144 Millionen Euro, knapp 15 Millionen Euro mehr als 2023. Allein 10,5 Millionen Euro seien davon auf das neue Bundesteilhabegesetz zurückzuführen, erklärt Walter. »Der bürokratische Aufwand steht in keinem Verhältnis zu einem Mehrwert für die betroffenen Menschen.«

Landrat gegen Regulierungswut

Die deutsche Regulierungswut liegt dem Landrat besonders im Magen. Übermäßige Berichtspflichten und unnötige Beauftragte kosten den Kreis nach Ansicht von Walter unnötiges Geld. Als Beispiel nennt er das Bundesteilhabegesetz. Es sollte eigentlich die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen wirtschaftlicher und besser machen. Nichts davon sei eingetreten, sagt der Landrat. Ganz im Gegenteil. »160 Verhandlungen mussten mit sozialen Trägern geführt werden.« Ein bürokratischer Aufwand, den Walter nicht nachvollziehen kann. »Wir müssen wieder mehr an den Menschen ran und sie nicht in bürokratische Netze verstricken.«

Auch beim Thema Flüchtlinge wird der Landrat deutlich. »Wir kommen mit unseren Kapazitäten an den Rand«, sagt Walter. Zudem habe die Akzeptanz in der Bevölkerung abgenommen. Auch beim Ehrenamt »spürt man eine gewisse Erschöpfung«. Dabei werde es für den Kreis immer schwieriger, Flüchtlinge unterbringen zu können. Jetzt muss auch noch bis Ende des Jahres das große Ankunftszentrum Convita Rottenburg geschlossen werden. Die Immobilie wird neu vermietet, die Flüchtlinge müssen raus. Die Menschen schneller in Arbeit bringen und ihre Abschlüsse zügiger anerkennen, ist eine der Lösungen für Walter. Darüber hinaus solle die Verteilung in Europa gerechter geregelt werden. »Es kann nicht sein, dass es in Baden-Württemberg 170.000 und in Frankreich 70.000 Flüchtlinge aus der Ukraine gibt.« Für den Landrat ist das »Sprengstoff für unsere Gesellschaft.« Klar ist für Walter aber, »dass wir selbstverständlich Menschen aufnehmen, die auf der Flucht sind. Das ist unsere humanitäre Pflicht.«

Eckdaten des Kreishaushaltes

Das Volumen des Ergebnishaushalts steigt um fast 40 Millionen Euro auf rund 350 Millionen Euro. Er schließt mit einem Minus von 8,6 Millionen Euro. Kostensteigerungen erwartet der Kreis vor allem bei den sozialen Leistungen. Hier sind rund 146 Millionen Euro eingeplant, 22,4 Millionen Euro mehr als 2023. Deutliche Steigerungen gibt es auch beim Personal und in der Jugendhilfe. Der Finanzhaushalt steigt um rund elf Millionen auf rund 33 Millionen Euro. Mit rund 15 Millionen Euro Einnahmen aus der Grundsteuer rechnet der Landkreis. Was allerdings sehr optimistisch sei, sagte Walter und letztendlich ein Haushaltsrisiko darstelle. Beim derzeitigen Rückgang der Bautätigkeiten sei nur noch von zehn bis zwölf Millionen auszugehen.

Der Kreis plant mit dem Haushalt 2024 22,5 Millionen Euro Kredite aufzunehmen. Im Vergleich zum Vorjahr sind das 12,5 Millionen Euro mehr. Gleichzeitig werden rund drei Millionen Euro alter Schulden getilgt. Weitere Kredite in Höhe von 7,7 Millionen Euro sind nur noch im Jahr 2025 geplant. In den Folgejahren sind nach dem derzeitigen Haushaltsentwurf keine neuen Kredite vorgesehen. Dafür will aber Landrat Walter nicht die Hand ins Feuer legen. Der Schuldenstand zum Jahresende 2024 liegt bei rund 76 Millionen Euro. Er ist damit rund 19 Millionen Euro höher als 2023. Es ist der höchste Schuldenstand der vergangenen zwanzig Jahre.

Kreisumlage wird erhöht

Der Hebesatz der Kreisumlage steigt um 4,15 Prozent auf 29,72 Prozent. Dabei sind die freiwilligen Leistungen des Kreises noch nicht eingerechnet. Sie könnten zu einer Kreisumlage in Höhe von über 30 Prozent führen. Das Aufkommen aus der Kreisumlage liegt dann bei 130,7 Millionen Euro, rund 30 Millionen Euro mehr als 2023. Bislang lag der Kreisumlage-Hebesatz im Landkreis Tübingen immer unter dem Landesdurchschnitt.

Investieren wird der Kreis im kommenden Jahr vor allem in die beruflichen Schulen in Tübingen-Derendingen und Rottenburg. Dafür werden insgesamt 25 Millionen Euro bereitgestellt. Mit Blick auf die Baupreissteigerungen rechnet der Kreis beim Berufsschulzentrum mit Mehrkosten in Höhe von fünf Millionen Euro. Weitere 4,7 Millionen Euro fallen auf das Verkehrswesen und den Nahverkehr ab. Alles in allem steigen die Investitionskosten auf insgesamt rund 33 Millionen Euro. (GEA)