GOMARINGEN. Zwei Flächen hat der Regionalverband in Gomaringen für mögliche Windkraftanlagen vorgeschlagen: die eine ist am Horn und hat 109 Hektar Fläche, die andere am Buchbach-Wellingtonien ist 184 Hektar groß. Sollte sich der Gomaringer Gemeinderat bis September 2025 auf keine Flächen einigen können, dann greift die Superprivilegierung, warnte Bürgermeister Steffen Heß im Gomaringer Bauausschuss. Das heißt, nach Bundes- und Landesgesetz kann dann die Gemeinde nicht mehr steuern, wo Windräder auf ihrer Gemarkung entstehen.
Der Ausschuss unterstützte am Dienstagabend einstimmig die Planungen. "Die Windkraft wird kommen", sagte Gudrun Bühler (CDU). "Sie sollte dann auf Grundstücken der Gemeinde stehen und nicht auf der Nachbargemeinde. "Entweder alle Gemeinden zusammen oder keiner", forderte Kristen Gaiser-Dölker (FW). Denn die ausgewiesenen Vorranggebiete überschreiten Gemeindegrenzen. Betroffen sind Bronnweiler, Gönningen, Öschingen und Nehren gleichermaßen. In Sichtweite ist auch Dußlingen.
»Wir sollten sobald wie möglich zu erneuerbaren Energien wechseln«, forderte Hartmut Rombach (Grüne Liste) und verwies auf die über 90-prozentige Abhängigkeit Gomaringens von externen Stromlieferanten. Maximilian Föll (SPD) betonte ebenfalls die große Bedeutung, vor Ort Strom zu erzeugen. Er schlug vor, frühzeitig auf mögliche Projektierer zuzugehen, um die Anzahl der möglichen Windräder zu kennen.
»Wir sollten so bald wie möglich zu den erneuerbaren Energien wechseln. - Hartmut Rombach (Grüne)«
Ganz so schnell geht das aber nicht. Derzeit läuft das öffentliche Beteiligungsverfahren des Regionalverbandes. Jeder kann seine Bedenken bis zum 11. April äußern. Die eingegangenen Stellungnahmen werden öffentlich vorgestellt. Außerdem laufen weitere Untersuchungen unter anderem zum Natur- und Artenschutz, den regionalen Grünzügen, dem Forst und der Landwirtschaft. Nach wie vor ungeklärt ist auch die Frage, ob die Gebiete von der Bundeswehr als Hubschrauber-Tiefflugstrecken benötigt werden. Bisher sei noch keine Stellungnahme des Militärs beim Regionalverband eingegangen, sagte Heß.
So blieb am Dienstagabend die Frage von Thomas Schaper (CDU) nach der Anzahl der möglichen Windräder unbeantwortet. Von drei bis sechs Anlagen am Horn und bis zu elf beim Buchbach/Wellingtonien sei ursprünglich die Rede gewesen, sagte Bürgermeister Steffen Heß. Bei dieser Anzahl ging ein Raunen durch die Zuschauer. Diese ersten Zahlen seien aber ohne vertiefte Prüfung genannt worden. »Es können am Ende die Hälfte sein«, fügte Heß hinzu. »Mehr werden es auf jeden Fall nicht.«
Klar ist aber: Die Räder werden mit einer Gesamthöhe von 270 Metern sehr groß und damit auch weithin sichtbar sein. Gebaut werden sollen sie ab 2027. Im Jahr 2028 könnte der Windpark in Betrieb gehen. Die Gemeinde erhofft sich davon nicht nur eigens erzeugten Strom, sondern auch Einnahmen über den Pachtzins und die Gewerbesteuer.
Vor allem die Höhe der geplanten Windräder schockierte die Anwohner am Dienstagabend. »Wie sehen diese Monster eigentlich aus?«, fragte ein Gomaringer, der zudem auf die Gefahren durch Infraschall hinwies. Er wünschte sich außerdem eine Informationsveranstaltung mit einem vom Regionalverband unabhängigen Redner. Bürgermeister Heß war durchaus für einen Infoabend offen, an dem mehrere Seiten zu Wort kommen.
»Ich wusste nicht, dass wir bald in einem Windpark leben werden. - Gomaringerin im Bauausschuss«
»Ich wusste nicht, dass wir bald fast ein einem Windpark leben werden«, ergänzte eine andere Bürgerin. Schlafstörungen und Depressionen fürchtet die Gomaringerin, sollten die Planungen verwirklicht werden. »Ganz viele Menschen werden krank werden.« Auch hinterfragte sie den Nutzen der Anlage. Schließlich werde allein schon beim Bau von Sockel und Windrad eine große Menge an CO2 entstehen. Ein anderer befürchtete eine Wertminderung der Grundstücke. Windkraftanlagen sollten seiner Ansicht nach vor allem Offshore an der Nord- und Ostseeküste gebaut werden. »Ich habe heute Abend viel übers Profitmachen gehört«, meldete sich eine Frau zu Wort. »Die körperliche Unversehrtheit ist mir zu kurz gekommen.«
Bei den meisten Fragen verwies Heß die Einwohner an den Regionalverband. »Wir brauchen auch eine Antwort, wie es mit der Energieerzeugung weitergehen kann«, sagte er abschließend. Das St. Floriansprinzip sei jedenfalls nicht fair. Kirsten Gaiser-Dölker (FW) lobte die sachliche Auseinandersetzung von Einwohner und Verwaltung. Der Gemeinderat sei angewiesen auf Rückmeldung aus der Bevölkerung.
»Das St. Floriansprinzip ist nicht fair. - Bürgermeister Steffen Heß«
Bei der großen Diskussion über Windkraft, wurde nur noch wenig über die Freiflächen-Photovoltaik gesprochen. Von den ursprünglich in der Planung befindlichen Gebieten blieben nur noch 9,8 Hektar am Kegelplätzle in Stockach übrig. Aber auch da befindet sich die Gemeinde noch am Beginn des Verfahrens, sagte Heß. Der Ortschaftsrat hatte die Pläne einstimmig unterstützt. Allerdings äußerten Jäger und Landwirte Bedenken. Die Fläche befindet sich in einem überregionalen Wildtierkorridor, außerdem ist dort ein Wildacker für Wildtiere. Optimal sei der Standort nicht für die Energiegewinnung, so die Verwaltung. Für die Fläche spreche aber die kurze Kabeltrasse.
Als Betreiber der Anlage kann sich die Verwaltung eine Genossenschaft vorstellen. Bis dahin ist es aber noch ein längerer Weg. Auch die genaue Ausgestaltung, ob die Anlage mit oder ohne Landwirtschaft betrieben werden soll, ist noch offen. Das entscheidet endgültig der Gemeinderat. Der Bauausschuss stimmte jedenfalls einstimmig dafür, die Fläche weiter voranzubringen. (GEA)
Größer als der Fernsehturm
Die Windräder werden eine Gesamthöhe von 270 Meter haben. Sie sind damit höher als der Stuttgarter Fernsehturm (217 Meter). Das Naturana Hochhaus ist 48 Meter hoch. Der Rotordurchmesser liegt bei 180 Meter. Eine Anlage benötigt rund 4.700 Quadratmeter Fläche. Insgesamt rund 4.000 Haushalte können mit einem Windrad versorgt werden. Die Einnahmen für die Gemeinde liegen bei rund 130.000 Euro Pachtzins und einer jährlichen Gewerbesteuer von rund 600.000 Euro pro Anlage. (iwa)