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Aktuell Soziales

Gleich neun Torten im Angebot

Härtennetzwerk feiert Zehnjähriges: Austausch so vielfältig wie die Bewohner der Gesamtgemeinde

Heide Arndt und Heinz Volkmer begutachten die neuesten Einträge der Netzwerk-Börse. FOTO: STÖHR
Heide Arndt und Heinz Volkmer begutachten die neuesten Einträge der Netzwerk-Börse. FOTO: STÖHR
Heide Arndt und Heinz Volkmer begutachten die neuesten Einträge der Netzwerk-Börse. FOTO: STÖHR

KUSTERDINGEN. »Von A wie Apfelrahmkuchen bis Z wie Zwiebelkuchen: Ich backe gerne und am liebsten Großmutters Rezepte«, lässt ein Mitglied über die Angebots-Börse des Härtennetzwerks wissen. Ein anderer Netzwerker offeriert rund um die deutsche Sprache Nachhilfe, Korrekturen und Vorlesen. Die Rubrik »Suche« ist ebenso vielfältig: Wer kennt sich aus mit Briefmarken und würde mich beraten oder zum Händler begleiten? Wer hat Ahnung vom Polstern oder kennt jemanden, der unser Sofa reparieren könnte? Wer kann beim Schneeschippen helfen?

Als vierter Kusterdinger Arbeitskreis der Lokalen Agenda wurde das Härtennetzwerk »zur Förderung brachliegender Fähigkeiten und regionaler Ressourcen« in Juni 2010 gegründet. Obwohl die erste Idee zu einem Tauschring von der Härtenliste stammte, den diese allerdings nicht in die Tat umsetzte, versteht sich das Netzwerk als politisch und wirtschaftlich unabhängige Bürgerinitiative. Ihr Ziel ist es, Menschen auf den Härten in über soziale Kontakte zu verbinden und gegenseitige Hilfe anzubieten.

Es fließt kein Geld

Das Miteinander sei vor allem jetzt in der Corona-Krise wichtig gewesen, betont Heinz Volkmer vom vierköpfigen Organisationsteam. Und auch die Nachhaltigkeit ist ein entscheidender Aspekt des autonomen Netzwerks, ergänzt Heide Arndt. »Es geht um ein harmonisches Verhältnis zwischen Menschen untereinander einerseits und Mensch und Natur andererseits.« Eines der Ziele sei es außerdem, »auf die Problematik des herrschenden Geldsystems aufmerksam zu machen und die Erfahrung zu vermitteln, dass gerechter Tausch möglich ist«.

Über 170 Mitglieder im Alter von 20 bis Mitte 80 tauschen über das Netzwerk mittlerweile Dienstleistungen ohne die Verwendung von Geld aus. Vergütet wird mit einer virtuellen Währung, dem Härtenviertel, der 15 Minuten Arbeitszeit entspricht. »Unabhängig von der Art der Arbeit«, erklärt Arndt. »Jede Tätigkeit wird als gleichwertig angesehen.« Als Konkurrenz zu professionellen Dienstleistern sieht sich der Tauschring nicht: »Es fließt ja kein Geld.«

In erster Linie will das Härtennetzwerk einen als gerecht empfundenen Austausch von Leistungen, vor allem Dienstleistungen aber auch von Waren zu fördern und dadurch eine engere soziale Gemeinschaft auf den Härten zu schaffen. Auf der Gründungsversammlung des Netzwerks vor zehn Jahren haben Mitglieder des Tübinger Tauschrings ihr Konzept vorgestellt und vorgeschlagen, auf den Härten eine Dependance einzurichten. »Das erschien uns zu kompliziert«, sagt Volkmer. »Wir wollten es lieber selbst probieren.« Mit Dieter Braun als Computer-Experten im Kernteam wurde eine leicht zu bedienende Variante entwickelt.

Während anfangs die Buchungen auf Papier vorgenommen wurden, läuft mittlerweile alles online. Um einen reibungslosen Ablauf zu ermöglichen, setzten sich die Organisatoren, die sich regelmäßig im Klosterhof treffen, für einen WLAN-Anschluss im Bürger- und Kulturhaus ein. Für einige ältere Mitglieder, denen der Umgang mit dem Computer nicht so vertraut ist, gibt es Patenschaften, neue Mitglieder erhalten eine persönliche Einführung.

Forum für Hilfsaktionen

Zu den ersten Angeboten des Netzwerks gehörten das Kuchenbacken, Walnüsse aus dem eigenen Garten, handwerkliche Hilfen, Rasenmähen und Fahrten zum Flughafen. Sehr gefragt ist auch Hilfe mit dem Computer, inklusive Beratung beim Kauf eines Laptops. Er selbst nehme öfter die Fahrradreparatur in Anspruch, sagt Volkmer. Sein Angebot als Krankenpfleger an die Gemeinschaft: die stundenweise Aushilfe bei der Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger. Der 59-Jährige verleiht aber auch seinen Dörrapparat und Filme. Heide Arndt hat über den Tauschring schon Erde für ihren Garten in Jettenburg gesucht und geliefert bekommen und beim Stapeln von Brennholz geholfen. Ihr Mann repariert Uhren.

Das Netzwerk wird auch als Forum für Hilfsaktionen oder zur Information über Umweltthemen und als Pinnwand für Veranstaltungen genutzt, organisiert darüber hinaus Vorträge und Filmabende. Dass die Gemeinschaft schnell reagiert, habe ein Mitglied erfahren, als er spontan eine Schwarzwälderkirschtorte für den Geburtstag seiner Frau brauchte: Er bekam gleich neun Angebote, erzählt Volkmer lachend. (GEA)

 

www.haertennetzwerk.de