Logo
Aktuell Debatte

Federle und Kliche-Behnke diskutieren in Tübingen mit Corona-Impfgegnern

Ein lautstarkes Publikum sorgt bei Tacheles-Gespräch am LTT in Tübingen für ein kontroverses Podium mit Lisa Federle und Dorothea Kliche-Behnke zu den Corona-Maßnahmen.

Marcel Wagner, Lisa Federle, Marco Krüger, Dorothea Kliche-Behnke
Marcel Wagner, Lisa Federle, Marco Krüger, Dorothea Kliche-Behnke Foto: Dieter Reisner
Marcel Wagner, Lisa Federle, Marco Krüger, Dorothea Kliche-Behnke
Foto: Dieter Reisner

TÜBINGEN. Zwischenrufe, Applaus, Gelächter und kontroverse Wortbeiträge - so lebhaft war es im Publikum des Landestheaters Tübingen lange nicht mehr. Wer geglaubt hatte, mit dem Thema Corona-Aufarbeitung können man in einer Diskussion keine Stimmung mehr erzeugen, der wurde bei der Tacheles-Gesprächsreihe im Landestheater Tübingen eines Besseren belehrt. SWR-Studioleiter Marcel Wagner hatte Notärztin Lisa Federle, Sicherheitsethiker Marco Krüger und die SPD-Landtagsabgeordnete Dorothea Kliche-Behnke eingeladen, um mit dem Publikum über Versäumnisse und Erkenntnisse der Corona-Pandemie zu diskutieren. Der Freudenstädter Landrat Klaus Michael Rückert fehlte erkrankt und meldete sich mit einer Sprachnachricht.

Erste Lacher bereits bei der Vorstellung der Podiumsgäste: Wagner stellte Lisa Federle als »Pandemiebeauftragte der Stadt« statt als »Pandemiebeauftragte der Kassenärztlichen Vereinigung« vor, worauf Federle entgegnete: »Ich bin nicht Boris' Leibeigene.«

Landrat Rückert gab in seiner Sprachnachricht den Tonfall vor, in dem die Diskussion hätte ablaufen können: Er habe zu Anfang der Pandemie »eine harte Linie gefahren« beim Lockdown, doch je länger es ging, desto mehr seien seine Zweifel gewachsen, so Rückert. »Die einrichtungsbezogene Impfpflicht war ein Fehler«, bekannte er. Nie wieder dürfe man Schulen und Kindergärten so lange geschlossen halten. Politik und Medien hätten viel zu lange keine abweichenden Meinungen zugelassen. Deshalb müsse es eine objektive Aufarbeitung »ohne Anprangern« geben. Ein frommer Wunsch, wie sich in der Folge zeigte.

Das Podium hatte zwei Stühle frei gelassen, über die sich Zuhörer an der Diskussion beteiligen konnten. Aber das, was sich Sicherheitsethiker Marco Krüger gewünscht hatte, »die Ruhe zu haben, einander zuzuhören und es für möglich zu halten, dass auch der andere Recht haben könnte«, geriet mit jedem Publikumsredner immer mehr in den Hintergrund.

Da behauptete Regina Schöll-Braun, die sich als Erzieherin vorstellte, dass seit der Impfung mehr Menschen sterben, als vor der Impfung. Lisa Federle entgegnete, dass ihre Erfahrung als Ärztin eine andere sei: »Wir haben durch die Impfung vielen Menschen das Leben gerettet«. Dennoch würde sie heute keinem ihrer Patienten mehr zur Impfung gegen Corona raten. »Es gibt keine Impfung ohne Risiko und ich kenne jetzt - anders als vor drei Jahren - kaum noch jemanden, der an Corona stirbt«, so Federle. Es gebe aber noch nicht genügend Zahlen über Impfnebenwirkungen, um eine ärztliche Einschätzung darüber treffen zu können, wem man heute noch zu einer Impfung raten könne und wem nicht.

Federle führte aus: »In der Krise ist es wie als Notarzt: Da musst du anpacken, auch wenn du noch kein komplettes Lagebild hast, weil es schlimmer ist, nichts zu tun. Ich habe beobachtet, dass weniger Leute in den Heimen starben, als sie geimpft waren.«

Ein Patient, der seinen Namen nicht nannte, berichtete, dass er sich 2021 aus Überzeugung habe impfen lassen und seither krank sei. Sein Problem sei, dass ihm der eine sage, es gebe keine Impfschäden und der andere sage, er sei selbst schuld, wenn er sich habe impfen lassen. Zu seinem Antrag auf Anerkennung eines Impfschadens habe er seit zwei Jahren nichts gehört. Federle antwortete, dass es nicht so leicht sei, zu erkennen, ob die Ursache bestimmter Beschwerden die Impfung sei oder etwas Psychisches. »Für uns Notärzte ist das normal: In 30 Prozent der Fälle fährt man hin und stellt fest, dass der Patient keinen Notarzt braucht, sondern vielleicht einen Pfarrer oder Psychologen:« Kliche-Behnke meinte, dass das Versicherungssystem eben darauf basiere, dass es Belege gibt. Deshalb müsse die Forschung zu den Impfschäden intensiviert werden.

Der Allgemeinmediziner Klaus Weber, der auch OB-Kandidat in Rottenburg ist. behauptete, dass die Zulassungsbehörden gewusst hätten, dass die Impfung die Übertragung der Krankheit nicht verhindern kann. Außerdem zweifle er am Sinn der Maskenpflicht und habe vom Uniklinikum Tübingen keine Antwort dazu erhalten, auf welcher Grundlage sie die Maskenpflicht wieder eingeführt habe. Dem SWR warf Weber vor, mit einer dramatischen Musik zu Berichten über das Corona-Virus Panik verbreitet zu haben. Auch gebe das Paul-Ehrlich-Institut keine Daten zu Impfschäden heraus und gleiche sie nicht mit anderen Behörden ab, was ein politischer Skandal sei, so Weber.

Sonja Frank-Schütt aus Gomadingen schilderte recht pointiert, was sie als ungeimpfte Mitarbeiterin an einer Grundschule erlebt. »Da haben sich Kinder vor dem Klo eingenässt, weil an der Tür stand: Einzeln eintreten«.' Kinder die vor dem Lockdown schon »gut beieinander« gewesen seien, seien nach dem Lockdown »kaum mehr wiederzuerkennen« gewesen, weil sie noch übergewichtiger geworden seien. Als Ungeimpfte habe sie als »Covidiot, unmoralisch und dumm« gegolten. »Plötzlich war ich aussortiert«, so Frank-Schütt. Als sie dann von der Krankheit genesen und somit unter 2G gefallen sei, habe sie festgestellt: »An meinem Arbeitsplatz war ungeimpft genesen viel schlechter angesehen als geimpft und genesen«.